Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
nie wirklich auf solche Sachen eingelassen. Als er mit Jadia zusammen war, hatte er seine Experimentierphase schon hinter sich. Es hat ihn einfach nicht mehr besonders interessiert.«
»Und er ist fünf Jahre älter als du?«, fragte ich.
»Ja. Ich war ein richtiges kleines Arschloch – äh, ich meine, Nervensäge …«
Ethan lachte. »Hey, Mann, sie ist nicht deine Mutter. Du kannst hier ›Arschloch‹ und sonst was sagen. Die beiden sind echt cool.«
Caleb lief rot an.
Frank sah belustigt drein, was zweifellos mehr mit der »Mutter«-Geschichte zu tun hatte als mit allem anderen, doch ich ignorierte ihn einfach. »Also«, sagte ich zu Caleb, »dann hast du zu deinem großen Bruder aufgesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »So einfach ist es nicht. Mein Bruder ist kein Heiliger. Das würde ich nie von ihm behaupten. Es war nicht immer leicht, mit ihm auszukommen. Er gab gern den Rebellen.«
»Ist manchmal schwer für den Rest der Familie«, meinte Frank, wobei von seiner Belustigung einen Augenblick zuvor rein gar nichts in seiner Stimme zu vernehmen war. »Meine große Schwester war auch eine Rebellin. Diana hat meinen Eltern die Hölle heißgemacht, und das gefiel mir nicht, aber zugleich habe ich sie auch bewundert. Sie war viel mutiger als ich, aber sie bekam auch ständig Ärger.«
Ich versuchte mir den Schreck nicht anmerken zu lassen. Frank war zwölf gewesen, als seine Schwester Diana starb, und seine Familie hatte einen Schweigekodex um sie herum entwickelt, der jahrzehntelang gehalten hatte. Das Schweigegebot war zwar vor einiger Zeit gelüftet worden, doch die alten Gewohnheiten hielten sich – dies war das erste Mal, dass ich miterlebte, wie er Diana gegenüber jemandem erwähnte, der nicht zu seinen engsten Freunden zählte.
Caleb war sich dieser Ehre natürlich nicht bewusst. »Ja!«, rief er aus. »Genauso war es bei uns auch. Hat sie es irgendwann überwunden?«
»Nein, sie kam bei einem Unfall ums Leben, und so hatten wir leider nie Gelegenheit, zu sehen, ob sie später miteinander ausgekommen wären.«
»Tut mir leid.« Er hielt inne. »Das finde ich eigentlich das Allerschlimmste an der ganzen Sache – dass alle Gelegenheiten dahin sind. Ich werde meinen Dad nie besser kennenlernen, als ich ihn damals kannte. Ich weiß nicht, was er heute zu mir sagen würde oder ob wir uns überhaupt verstehen würden. Inzwischen habe ich auch verpasst, was für ein kleiner Frechdachs Jenny in den letzten Jahren geworden sein mag. Ich konnte ihr kein Bruder sein. Zuerst dachte ich ja, es würde nur ein paar Tage dauern, bis irgendjemand sie findet.« Er hielt erneut inne, und diesmal zog sich das Schweigen in die Länge.
»Noch etwas«, sagte er nach einer ganzen Weile. »Mason und Dad bekamen nie Gelegenheit, als Erwachsene eine Beziehung zueinander aufzubauen. Unsere Familie war sehr vertraut untereinander, und es hat mir nicht gefallen, dass er Mom und Dad ständig angegiftet hat, aber ich glaube, sie haben gemerkt, dass er allmählich darüber hinauswuchs. Mason war schon immer tapferer als ich – und er ist es noch. Aber er kann auch witzig sein.« Caleb grinste. »Ich glaube, ich war schon zehn, als ich endlich begriffen habe, dass sein leiblicher Vater vermutlich kein Typ namens Mason Jar gewesen ist. Er hat diese Story durch ein halbes Dutzend andere ersetzt, darunter auch eine, in der ihn meine Mom wegen der Art, wie sie mit ihm schwanger geworden ist, nach einem Mason-Glas benannt hat. Ich war natürlich total schockiert deswegen, aber er wusste, dass ich Mom nie fragen würde, ob es stimmt.«
»Ist ja eklig«, sagte Ethan, musste aber dabei lachen.
»Weiß er, wer sein leiblicher Vater ist?«, fragte ich.
»Nein. Mom hat den Namen des Typen nirgends angegeben, weil sie nicht wollte, dass er versucht, das Sorgerecht für Mason zu bekommen. Sie hat den Namen nie jemandem verraten und behauptet, sie wüsste ihn nicht, aber das hat ihr keiner von uns abgenommen. Einmal habe ich Mason gefragt, ob er es nicht wissen will. ›Aber nur aus reiner Neugier‹, hat er geantwortet. Er hat auch immer gesagt, wir hätten zwar verschiedene Väter, aber denselben Dad.«
»Was nicht gerade zu dem Bild passt, das der Staatsanwalt von ihrer Beziehung gezeichnet hat.«
»Nein.«
»Du hast gesagt, du weißt aufgrund der Geschichte mit diesem Mädchen, dass er nicht getrunken hat«, sagte Ethan und bestärkte mich damit erneut in meinem Glauben, dass er eines Tages ein großartiger Reporter werden wird
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