Blutsverwandte: Thriller (German Edition)
unwahrscheinlich vor. Es erscheint mir logischer, dass er sich im Auto versteckt hat.«
»Vielleicht konnte er nicht mehr klar denken«, mutmaßte Ethan.
»Bei seiner Verhandlung«, sagte ich, »ist die Anklage davon ausgegangen, dass er nicht mit dem Plan, seinen Stiefvater umzubringen, ins Atelier gegangen ist. Sie meinten, er habe sich mit Richard Fletcher streiten wollen, doch war nicht zu leugnen, dass er keine Waffe dabeihatte, und es hieß, er hätte nicht gewusst, dass seine Schwester dort war.«
»Aber es war trotzdem Mord?«, hakte Ethan nach.
»Ja. Es ist kompliziert, aber von Rechts wegen muss man nicht schon lange vorher vorgehabt haben, jemanden umzubringen, damit es als geplant gilt. Hätte er sich mit Richard geprügelt und blind nach der Statue gegriffen und mit ihr zugeschlagen, hätten sie wahrscheinlich eine geringfügigere Anklage gewählt. Doch Richard Fletcher saß an seinem Schreibtisch und bekam mehrere Schläge von hinten versetzt, sodass er sich weder gewehrt noch Mason bedroht haben konnte.« Ich hielt inne. »Das heißt, falls man glaubt, dass Mason an jenem Tag überhaupt dort war.«
»Die Anklage behauptet also, er habe seine kleine Schwester dort entdeckt, sei eine Zeitlang mit ihr herumgefahren und hätte sie dann umgebracht, damit sie nichts sagen kann?«
»Ja. Und später soll er dann aus Reue versucht haben, sich mit einer tödlichen Mischung aus Schnaps und Tabletten selbst umzubringen.«
»Ich glaube, er wurde hereingelegt«, sagte Tadeo grimmig. »Das wusste ich von dem Moment an, als ich die Autotür aufgemacht habe, und ich werde meines Lebens nicht mehr froh, wenn …« Er verstummte und sah seine Frau mit sonderbarer Miene an.
»Das stimmt«, sagte sie leise. »Du bist ein anständiger Mensch, Tadeo. Und du wirst deines Lebens nicht mehr froh werden, ehe du diese Sache geradegerückt hast.«
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich spielt es gar keine Rolle mehr.«
»Wer sagt denn, dass man nur dann das Richtige tut, wenn man gewinnt? Nicht der Tadeo, den ich kenne. Und wenn du dort wärst, wo der junge Mann jetzt ist, dann würde es für dich auch eine Rolle spielen.«
Sie redete weiter in diesem Sinne auf ihn ein, bis er schließlich einwilligte, mit Frank zu sprechen. Er versicherte mir auch, er werde Mark Baker vom Express Auskunft geben, ehe er mit irgendjemand anderem von der Presse sprach. »Und der Bruder, dieser Caleb – würden Sie ihn bitten, mich noch mal anzurufen?«, sagte er.
Wir versprachen es.
Als wir gingen, lehnte Dora unseren Dank ab, indem sie erklärte, dass wir diejenigen seien, die ihr geholfen hätten. Da war ich anderer Ansicht.
Wir machten uns auf den Rückweg.
»Stört es dich, dass es nicht deine Story ist?«, fragte Ethan, während er seine Kissen neu arrangierte.
Ich überlegte kurz, ehe ich antwortete: »Ein bisschen vielleicht schon.«
Doch er war bereits eingeschlafen, und meine Aufrichtigkeit war verschwendet.
Er verschlief die kurzen Anrufe, die ich bei Frank und Mark Baker tätigte, ebenso wie den Abstecher zur Polizei, wo Frank in der Tiefgarage auf mich wartete. Die Erinnerungen daran, Ethan auf einer Intensivstation zu sehen, waren noch viel zu frisch – keiner von uns wollte ihn wecken oder allein im Schlaf liegen lassen, daher blieben wir vor dem Auto stehen und unterhielten uns leise. Ich schilderte Frank rasch, was ich erfahren hatte, und sagte ihm, wie er Tadeo Garcia kontaktieren konnte. Er berichtete mir, dass Reed in Sheilas Haus einen kleinen Blechbehälter gefunden hatte, in dem mehrere kleine, einzeln verpackte Zähne waren.
»Fast hätte er sie übersehen. Sheila hat sie in ein Yahtzee-Spiel getan. Er ist nur darauf gekommen, weil das Spiel in ihrem Schlafzimmer war und er, nachdem er sich ein paar wilde Yahtzee-Variationen ausgemalt hatte, zu dem Schluss kam, dass sie wahrscheinlich nicht der Typ war, der irgendeine davon im Bett spielen würde.«
»Danke für dieses Bild.«
Wir nahmen uns vor, uns am Abend von den weiteren Ereignissen des Tages zu erzählen.
Ich machte noch einmal halt, um den fast leeren Tank des Jeeps zu füllen, und fuhr nach Hause.
Ich weiß nicht, wann Ethan aufgewacht war, doch etwa fünf Kilometer vor unserem Haus sagte er plötzlich: »Weißt du eigentlich, dass wir verfolgt werden?«
Ich musste ehrlich zugeben, dass ich es nicht wusste, doch er hatte recht.
34. KAPITEL
MONTAG, 1. MAI, 15:15 UHR LAS PIERNAS
»Du weißt also nicht,
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