Bluttaufe: Thriller
durchsickernden Hirnmasse.
Er trat einen Schritt zur Seite, um an der über die Leiche gebeugten Gerichtsmedizinerin vorbei einen Blick auf die Lage des Körpers werfen zu können.
Von den Verstümmelungen abgesehen, hätte man den Anblick beinahe als friedlich bezeichnen können. Auf die Seite gelegt, ein wenig gebeugt, gerade so, als hätte sich der Tote in Embryohaltung schlafen gelegt. Nur das Weiß der Zähne, das durch das herausgebissene Loch in der Wange leuchtete, wollte dazu nicht passen. Seine Skizze misslang gründlich. Es war, als sträubten sich seine Finger, eine derartige Verletzung zu zeichnen.
Reiß dich zusammen, auch da Vinci hat sich Leichenteile besorgt, um sie zu sezieren und zu zeichnen.
Hensen skizzierte die halb heruntergezogene Hose und das auf dem Oberschenkel liegende Glied, die Bisswunden am Oberkörper, die dunklen Brusthaare.
Die Gerichtsmedizinerin untersuchte mit einer Lupe die Bisswunden im Gesicht und am Oberkörper. Sie kam aus der Hocke und machte einen Schritt auf Mangold zu. Hensen gesellte sich dazu.
»Wir haben Glück«, sagte die Gerichtsmedizinerin. »Na ja, wenn man das unter diesen Umständen so nennen kann.«
»Was heißt Glück?«, wollte Mangold wissen.
»Es sind ziemlich saubere Abdrücke … ich meine die Bissspuren. Sehen Sie, es gibt noch einen Abdruck auf dem Oberarm. Man könnte die Spuren zuordnen. Wenn wir etwas zum Abgleichen haben.«
»Haben wir so was in der Datenbank?«
»Unwahrscheinlich, aber zumindest könnten wir Verdächtige damit abgleichen.«
Mangold nickte, und bat Hensen, zu ihm ins Büro zu kommen, wenn er hier fertig war.
»Und bring dann bitte gleich Kaja Winterstein mit.«
8.
Marc Weitz bremste scharf, als ihm ein vielleicht Fünfjähriger seinen Einkaufswagen vor den Kühler schob. Hier auf dem Parkplatz des Supermarkts herrschte das Gesetz des Dschungels. Eine Frau sammelte ein paar Nudelpackungen vom Boden, die ihr aus dem überfüllten Einkaufswagen gefallen waren und eine Rollstuhlfahrerin versuchte, neben ihrem eigenen Gefährt auch den Einkaufswagen vor sich her zu dirigieren.
Weitz parkte seinen Wagen auf einem Behindertenparkplatz und schob das Schild mit der Aufschrift »Polizeifahrzeug im Einsatz« hinter die Scheibe.
Vorbei ging es an einem Getränkeladen, einer Apotheke und einem Zeitschriften- und Tabakladen. Er fragte eine Kassiererin nach der Geschäftsleitung und wurde zu einer kleinen Tür gewiesen, die kaum erkennbar in die Wand eingelassen war. Links und rechts schlängelte sich eine Ablage, auf der die Kunden ihre Waren verstauen konnten. Eine Türklinke gab es nicht. Weitz schlug mit der Faust gegen die Tür, horchte dann.
Er schlug kräftiger. Nach ein paar Sekunden wurde sie aufgerissen und mit puterrotem Kopf stand ein schlaksiger Mann in einem fleckigen Kittel vor ihm.
»Ja?«, sagte er und sah Weitz herausfordernd an. »Was iss?«
Weitz taxierte ihn und sagte zunächst gar nichts.
»Wenn Sie Beschwerden haben, dann wenden Sie sich an eine der Verkäuferinnen.«
Er griff zum Türknauf, um sie wieder zu schließen. Weitz öffnete sein Jackett und schob seinen Oberkörper mit dem sichtbaren Pistolenhalfter nach vorn.
Dann zog er gemächlich seinen Ausweis aus der Hemdtasche und hielt ihn eine Spur zu dicht vor das Gesicht des Mannes.
»Können Sie zufällig lesen?«
»Ja?«, sagte der Mann im Kittel.
»Sind Sie der Filialleiter?«
»Sein Stellvertreter. Herr Knauer ist heute krank.«
Marc Weitz schob ihn zur Seite und stieg die kleine Treppe hinauf, die in das Büro des Marktleiters führte.
Der Schreibtisch war übersät mit Rechnungen, Lieferscheinen, Werbezettelchen, Bestandslisten, eingebeulten Konservendosen, zwei undichten Joghurtbechern, die auf einer Serviette standen, Heftklammern und Kugelschreibern.
Der Rahmen des Monitors war mit dunklen Flecken gesprenkelt.
»Was ist das für ein Saustall?«, fragte Weitz.
Der stellvertretende Filialleiter sah ihn durch seine verschmutzte Brille fragend an.
»Wird das jetzt eine Lebensmittelkontrolle?«, fragte er gereizt.
»Wie heißen Sie?«
»Joachim Kluge.«
»Fein, Herr Kluge. Ich hab eine Frage zu Ihrem Sicherheitssystem.«
»Ach so, Sie meinen die Bänder, die vor ein paar Tagen von einem Beamten abgeholt wurden.«
»Genau. Das waren doch sicher nicht alle.«
»Was meinen Sie?«
»Da gibt es doch sicher noch einige Kameras, die auf die Kassen gerichtet sind, die zeigen, was Ihre Kassiererinnen so im Einzelnen treiben. Ob
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