Bluttaufe: Thriller
und ihre Beamtenträgheit verteidigten, als wäre genau dies das Fundament der Polizeiarbeit. Leute, die eine Lebensstruktur brauchten anstelle einer Herausforderung.
»Tannen, was halten Sie von dem Fall? Mal so ins Blaue hinein, raus damit.«
Tannen räusperte sich und sagte: »Ein Verwirrspiel. So, als hätte er irgendetwas Großartiges gemacht, für das er jetzt Anerkennung möchte.«
»Schön, aber warum will dieser Killer Anerkennung von mir? Warum wendet er sich nicht an die Presse, ans Fernsehen, die alles hübsch in bluttriefende Artikel und Bilder verpacken?«
»Keine Ahnung. Kommt womöglich noch.«
»Wie auch immer, wir müssen von der Möglichkeit ausgehen, dass dieser Kassenbon tatsächlich an mich adressiert ist. Gehen Sie bitte Weitz zur Hand. Und sehen Sie genau hin. Dann kümmern Sie sich um die Samenbanken.«
Tannen nickte und drehte sich um.
»Ach, und noch was«, sagte Mangold. »Kennen Sie eigentlich diese Kaja Winterstein? Ich meine, was wissen Sie über die Frau?«
»Ist seit vier Wochen hier im Präsidium und hat sich bisher durch Aktenberge gewühlt.«
Mangold nickte. Schaden konnte diese Psychologin nicht. Der Fall hatte eine Dimension angenommen, in der er Spezialisten in jeder Hinsicht benötigte. Die zur Schau gestellte Brutalität dieser Tat war einzigartig. Tannen stand immer noch unschlüssig an der Tür, als das Telefon klingelte.
»Warten Sie«, sagte Mangold und nahm den Hörer ab.
Die Einsatzzentrale meldete einen Leichenfund auf dem Gelände von Hagenbecks Tierpark. Die Beamten hätten seltsame Verstümmelungen entdeckt.
»Geht’s auch genauer?«, fragte Mangold.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung hüstelte.
»Sicher, der Schädel … also, er wurde aufgebohrt.«
7.
Hensen zeigte einer jungen Polizistin seinen Sonderausweis, den ihm Wirch mit einem Gesichtsausdruck überreicht hatte, als würde er ihm das Leben seiner Kinder anvertrauen.
Er bückte sich unter dem Absperrband hindurch. Für ihn als Reporter eine seltsame Situation. Jahrzehntelang war er von Tatorten meist vertrieben worden, und das auch mit vorgehaltener Waffe.
Der Tote lag auf einem Rasenstück, das sich zwischen einem großen Gebüsch und dem See erstreckte. Der Boden war tief, fast morastig.
Hensen entdeckte Mangold, Tannen und die Psychologin. Sie standen drei Meter von der Leiche entfernt. Zwei Gerichtstechniker in weißen Overalls beugten sich über die Leiche, zwei andere hockten auf dem Boden und untersuchten das Gras.
Im Unterschied zu dem Tatort an der Autobahn Richtung Hannover war hier kein Zelt aufgebaut worden.
»Er scheint die Lust am Zerstückeln verloren zu haben«, sagte Hensen und sah sich den Körper von allen Seiten an. Der Tote war dunkelhäutig und mochte so um die 25 Jahre alt geworden sein. Er war auf die Seite gelegt worden. Eine Stelle am Kopf war kahl rasiert, mittendrin ein Loch.
»Er hat ihm den Schädel aufgebohrt?«, fragte Hensen die Gerichtsmedizinerin. Die nickte stumm, ohne ihren Blick
von dem Toten abzuwenden. Auch Mangold und Kaja Winterstein traten jetzt neben ihn.
»Das ist leider nicht alles, sieh dir seine Wange an«, sagte Mangold.
Auf sein Zeichen hin hob die Gerichtsmedizinerin den Kopf des Toten. Durch ein Loch leuchteten die Zähne des Opfers.
»Er bohrt den Kopf auf und beißt ein Loch in die Wange?«, fragte Hensen. »Das sind Bissspuren.«
Mangold wandte sich an die Gerichtsmedizinerin.
»Und ein Tier? Er hat die Nacht über hier gelegen, es könnte doch auch Tierfraß sein.«
Die Gerichtsmedizinerin schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht, das Ränderprofil sieht nach menschlichen Zähnen aus.«
»Dahmer«, sagte Kaja Winterstein.
Hensen sah sie überrascht an. Die Frau schien etwas auf dem Kasten zu haben. Auch ihm war sofort dieser Name eingefallen.
»Könntet ihr einen Unwissenden erleuchten?«, fragte Mangold.
»Jeffrey Dahmer«, sagte Kaja Winterstein, »das Milwaukee-Monster.«
»Schon wieder ein kopierter Mord? Arbeitet der sich jetzt durch die Liste der schlimmsten amerikanischen Killer?«
»Dafür übertreibt er zu sehr … also ich glaube nicht an einen Copy-Killer. Es ist … zu viel«, sagte Hensen.
»Zu viel? Was meinst du mit ›zu viel‹? Reicht das nicht?«
»Er legt seinen Stil obendrauf«, sagte Hensen.
»›Seinen Stil‹, das ist doch nicht zu fassen. Und was sagt die Psychologin?«
Kaja Winterstein betrachtete den Toten. Nach einer halben Minute sagte sie: »Ich würde es jedenfalls nicht von
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