Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bluttaufe: Thriller

Titel: Bluttaufe: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
Vom Netzwerk:
jede Menge Erklärungen für ihre Gewaltbereitschaft, redeten von schwieriger Kindheit, Prügel durch die Eltern, Hänseleien in der Schule, Vernachlässigung. Es war, als würden sie sich selbst auf einen Seziertisch legen und untersuchen. Als hätten sie mit der Person, die für ihre Taten eingesperrt worden war, außer Interesse nicht wirklich etwas zu tun.
    Sicher rechneten sich einige von ihnen aus, dass sie durch die Gespräche mit der Psychologin ein paar Monate oder Jahre früher eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung erreichen konnten.
    Versprechungen hatte Kaja Winterstein nie gemacht, und sie hatte das deutlich vor jedem Gespräch betont. Sie wollte Ergebnisse für ihre Studien zusammentragen. Gewalt und Hass, der mit Gewalt einherging - die Bereitschaft zu vergewaltigen, einer Frau die Nase zu zertrümmern,
Kinder zu misshandeln oder völlig Unbeteiligte zum Rammbock zu machen - hatte sie seit ihrer Kindheit interessiert. Woher kam Gewaltbereitschaft? Wie brach sie aus?
    Dabei war sie selber behütet aufgewachsen. Bei einer Mutter, die ihre adelige Herkunft ablehnte und versucht hatte, ihrer Tochter etwas von ihrer Liebe zur Kunst mitzugeben. Schon als Sechsjährige war sie von ihr zu Ausstellungen und Lesungen oder in Theateraufführungen mitgenommen worden. Kinderstücke waren tabu gewesen. Zeitverschwendung, wie die Mutter sagte. Auch besonders häuslich war ihre Mutter nie gewesen. Eher ruhelos und auf der Suche. Kaja hatte das schon als Kind belächelt und sich in ihrer eigenen Welt eingerichtet. Mit ihren Puppen, von denen eine »Melancholie« und die andere »Chrysantheme« hieß.
     
    Kaja Winterstein wandte sich wieder ihrem Notebook zu.
    Sie hatte das Viclasprogramm aufgerufen, das kanadische Psychologen und Kriminalisten entwickelt hatten, um Serienmörder nach dem, was sie am Tatort hinterließen, genauer einzugrenzen. Später war das Programm immer weiter verfeinert worden. Besonders von den Amerikanern, die darin ein höchst effektives System sahen, Täter möglichst rasch mit einem Profil auszustatten.
    Die amerikanischen Verhältnisse waren sicher nicht auf Deutschland zu übertragen, Gott sei Dank. Ebenso wenig wie die Zuordnung zu den Bevölkerungsschichten, die dort vorgenommen wurde.
    Grob unterschieden wurde in besonders intelligente Täter und diejenigen, die einen geringen Intelligenzquotienten aufwiesen. Hauptsächlich ging es um sexuell motivierte
Morde. Raubmorde wurden von dem System nicht erfasst.
    Zur Definition eines Serienmörders gehörten mindestens drei Taten. Sie hatten es zwar erst mit zwei Morden zu tun, aber der Täter ließ keinen Zweifel daran, dass er weitermachen würde.
     
    Gezielt hatte er die Muster zwei der brutalsten Täter, die in den USA je gefasst wurden, übernommen. Sie lud ein Bild von Ted Bundy aus dem Internet auf den Bildschirm. Ein blendend und sympathisch aussehender lächelnder junger Mann, der vom Aussehen her auch sie interessiert hätte.
    Smart, mit einem neckischen Blinzeln, strahlend weißen Zähnen, jemand, der in einer dieser amerikanischen Serien als Sonnyboy durchgegangen wäre.
    Wie sah ihr Täter aus? Unauffällig, der nette Typ von nebenan?
    Jemand, dem man seine perversen Fantasien nicht ansah, die er immer wieder ausleben musste und die ihn umtrieben, ihn dazu brachten, sich ein neues Opfer zu suchen?
    »Jeder Täter will gefasst werden«, hatte ihr Professor unter eine ihrer Arbeiten geschrieben. »Nur den Preis, den möchte er möglichst hoch treiben. Oder selbst bestimmen.«
    Die wenigsten Täter hörten einfach auf. In der Regel gestalteten sie ihre Taten von Mal zu Mal brutaler, wollten weitergehen, sich zu neuen dunklen Bereichen ihrer Perversionen Zutritt verschaffen und sie erforschen, wollten wahr werden lassen, was in ihren Hirnen als Fantasie herumspukte.

    Noch ein Tabu brechen und dann voller Erstaunen vor der grausamen Tat stehen, wie ein überraschtes Kind. Andere drehten ihre Opfer auf den Bauch, weil sie sich für ihre Tat schämten, die ihnen noch vor wenigen Minuten tiefe Befriedigung verschafft hatte.
    Waren solche Menschen zu heilen? Zu therapieren? In den ersten vier Semestern ihres Studiums hatte sie fest daran geglaubt, heute stimmte sie der Mehrheit der Experten zu, die glaubten, dass dies in den meisten Fällen nicht möglich war.
     
    Ein Poltern im ersten Stock. Leonie warf wieder ihr Zeug durchs Zimmer. Seit drei Tagen waren Internatsferien, doch diesmal legte ihre Tochter hier nur einen Zwischenstopp

Weitere Kostenlose Bücher