Bluttaufe: Thriller
einem Stift.
Mangold rief die Fotodatei auf und warf mit dem Beamer das erste Bild auf die Leinwand. Es zeigte die verstümmelte Carla Kanuk.
»Die Frau wurde wahrscheinlich mit einem Wagen an den Fundort gefahren. Sie wurde schwer misshandelt und die Leiche verstümmelt. Die gefundene Spermaspur
stammt von einem Wachmann, der sich nebenbei etwas Geld verdient haben dürfte.«
»Und was, wenn er das Zeug woanders herhat?«, fragte Weitz.
Tannen schüttelte den Kopf.
»Spermien sind empfindlich, sie werden bei genau eingegrenzten Temperaturen gelagert. Außerdem, wo sollte er sie herhaben?«
»Irgendein Fummelkino«, sagte Weitz. »War der Wachmann schwul?«
»Ist technisch nicht machbar. Nein, es gab keinerlei Verunreinigungen in der Probe und die Samen müssen über einige Monate sachgerecht gelagert worden sein. Die wurden nicht von einem Polsterbezug gekratzt.«
»Warum?«, sagte Kaja Winterstein. »Es geht um dieses ›Warum‹? Wollte der Täter uns vielleicht auf diesen Wachmann aufmerksam machen, war er verdächtig, ist er bei irgendwelchen Ermittlungen aufgetaucht? In welchem Zusammenhang steht er mit unserem Täter?«
Weitz räusperte sich und sagte: »Könnte auch reiner Zufall sein, der Typ macht sich einen Spaß und schmeißt sich weg, wenn wir als heißeste Spur einen vor fünf Monaten gestorbenen Wachmann präsentieren.«
Mangold zuckte mit den Achseln.
»Der Mann ist pervers, der hat Spaß, mit Samen rumzuklötern«, sagte Weitz. »Dem geht dabei doch einer ab.«
Mangold unterbrach seinen Assistenten, um einen Schwall weiterer Stammtischweisheiten zu verhindern.
»Er imitiert den amerikanischen Serienkiller Ted Bundy. Beim zweiten Mord ist es Jeffrey Dahmer.«
Mangold kramte in seinen Papieren und zog eine Akte aus dem Stapel, den er vor sich aufgetürmt hatte.
»Charles Annand heißt der zweite Tote … Moment, das hab ich vorhin ganz überlesen.«
»Was ist denn?«, fragte Hensen.
»Französischer Staatsbürger, arbeitete als Kellner in einer Bar, die von zwei homosexuellen Besitzern betrieben wird.«
Weitz warf seinen Kugelschreiber auf den Schreibtisch.
»Das ist eine schwule Nummer, das sind Tunten, die aufeinander losgehen.«
»Carla Kanuk ist ein weibliches Opfer«, sagte Kaja Winterstein.
Marc Weitz senkte die Stimme und brummte: »Nachdem dieser Kerl sie sich vorgenommen hat, war die gar nichts mehr.«
»Und was sagt uns das?«, bohrte Kaja Winterstein nach.
Weitz nahm den Kugelschreiber und trommelte damit auf den Tisch.
»Vielleicht hat er nicht ertragen, dass es Frauen gibt, hat sich an sein Mütterlein erinnert, das ihn durchgeprügelt hat … und na ja, diese Carla Kanuk verwandelt sich in seinem kranken Hirn in seine Mutter und zack bringt er sie um und schneidet sie auf.«
Niemand ging auf diese Tiraden ein.
Tannen hob leicht den Arm.
»Ja?«, fragte Mangold.
»Das alles sieht nicht nach Affekt aus, nach jemandem, der explodiert … das, was wir am Tatort vorgefunden haben, nun das ist …«
»Berechnet«, sagte Kaja Winterstein, die ihn dankbar anlächelte. »Genau überlegt, inszeniert und trotzdem von einer unglaublichen Brutalität. Selbst wenn jemand einen kranken Serientäter vorspielen will, da gibt es Hemmnisse,
zu bestimmten Dingen ist man einfach nicht in der Lage.«
»Was ist mit dem französischen Kellner?«, fragte Hensen.
Mangold suchte in seinem Stapel und zog dann ein Papier hervor.
»Die Gerichtsmediziner sind noch nicht so weit. Aber sie haben natürlich gleich die These überprüft, ob der Täter in diesem Fall Jeffrey Dahmer nachahmen wollte.«
»Das Loch im Kopf?«, fragte Hensen.
Mangold blickte auf den Zettel und fasste zusammen.
»Der Mann wurde geknebelt und das Loch wurde mit einer Bohrmaschine in den noch lebendigen Leib getrieben.«
»Dieser Charles Annand hat noch gelebt?«, fragte Tannen.
»Sagen die Mediziner, und dann hat er tatsächlich Salzsäure in die Öffnung geschüttet.«
Tannen und Kaja Winterstein atmeten hörbar aus.
»Und die Bisswunde?«, wollte Hensen wissen.
»Die Pathologen können sagen, dass auch die dem Opfer nicht postmortal beigebracht wurde. Und dass ein Stück von der Haut fehlt.«
»Wie bei Jeffrey Dahmer«, bemerkte Hensen. »Der hat sich die herausgebissenen Stücke zubereitet und sie gegessen.«
Mangold hätte jetzt gern einen Gang zurückgeschaltet. Die Distanz wieder herstellen. Kein Mensch, und wenn er noch so lange Polizist war, konnte diese Fakten einfach in eine Ecke seines Hirns
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