Bluttaufe: Thriller
macht?«
»Der Mann, den Sie suchen?«
Sie überlegte ein paar Sekunden und fuhr dann fort: »Peter ist auf seine Weise ein ganz normaler Mensch. Mit großen Begabungen und großen Handicaps. Warum sollte nicht jemand mit diesen Fähigkeiten auch böse Dinge tun?«
Sie machte eine Pause und blickte durchs Fenster in die Regenwolken, die über Hamburg hingen.
»Allerdings wäre das nicht in unserem Sinne böse«, sagte sie. »Wie es mit der Moral bei derart hochbegabten Menschen steht, weiß ich nicht. Ich liebe Peter, aber ich verstehe ihn nicht. Wir können uns in seiner Welt nicht zurechtfinden.«
Sie lächelte ihren Bruder an und sagte: »Da gibt es Zahlen, die riechen und Buchstaben, die Farben abstrahlen. Ungeheure Informationen, die in Gehirnregalen liegen
und die sie einfach so herausziehen können. Peter macht das wütend, wenn ich ihn nicht verstehe, aber was soll ich tun? Ich geb mir ja Mühe.«
Gleich am nächsten Tag wurde für Sienhaupt und seine Schwester in einer Ecke des Sonderkommissionsbüros ein eigener Bereich hergerichtet. Weil er sich darauf besonders wohl fühle, wie seine Schwester sagte, wurde in einem Spielwarengeschäft ein mit Kugeln gefüllter Knautschsack gekauft. Ein alter Couchtisch, den Hensen beisteuerte, diente als Stellfläche für das Notebook.
Über eine kabellose Verbindung war sein Computer mit dem Internet verbunden. Kein Zweifel, die Welt der Bits und Bytes machte ihm Spaß. Ab und zu trat seine Schwester auf ihn zu und versuchte, seine Aufmerksamkeit von dem Gerät abzulenken. Doch das gelang nicht. Peter Sienhaupt lächelte zufrieden vor sich hin.
Zur Sicherheit hatte Mangold eine kleine Kamera an der Wand hinter Sienhaupt anbringen lassen, um zu überprüfen, ob sich etwas tat und was er überhaupt mit dem Computer anstellte.
Der Rechner wurde über eine Bluetooth-Verbindung mit einem zusätzlichen Speicher von fünf Terabyte verbunden. Mit einem speziellen Programm sollte der Datenverkehr Sienhaupts aufgezeichnet und jeder seiner Schritte verfolgt werden. Vorrangiges Ziel war es, den Killer aus der Reserve zu locken.
Sienhaupt hatte die Nummer des immer noch verschwundenen Handys von Carla Kanuk bekommen und die Aufzeichnung mit den Anrufen des Täters.
Dazu Informationen über Auffindeorte und biografische Angaben der Opfer, eine Internetadresse, über die Wetterdaten abgerufen werden konnten, Hinweise auf den Schachspieler Carl Carls und seine »Bremer Partie«, vor allem aber das veränderte da Vinci-Bild und die Zeichenabfolge.
Alle Fundortfotos, Pathologieberichte und Serienmörderdateien wurden ihm hingegen nicht zugänglich gemacht. Niemand wusste, wie er auf solch eine Ansammlung von Brutalität reagieren würde.
»Und wenn Schneeweißchen nun gar nicht im Netz ist? Eine Abneigung gegen Computer oder Technik hat?«, fragte Tannen.
Weitz hielt das für unwahrscheinlich, schließlich müsse er ja die Informationen über die amerikanischen Serientäter irgendwo herhaben.
»Ein Versuch«, sagte Mangold und sah zu Sienhaupt hinüber. Dann zupfte er sich am Ohrläppchen und sah Weitz an.
»Was hat die Hagenbeck-Ermittlung gebracht? Spuren auf den Uniformen, den Schubkarren oder an anderen Arbeitsgeräten?«
»Bis jetzt nur Tierblut«, sagte Weitz. »Die Uniformen sind vollzählig, den Wärtern ist nichts und insbesondere kein unbekannter Kollege aufgefallen. Die Nacht, in der die angeknabberte Leiche dort abgelegt wurde, war turbulent. Der Tierarzt ist zwischen mehreren Gehegen hin- und hergependelt, um Geburten zu überwachen.«
Aus Peter Sienhaupts Ecke kam schnaufendes Lachen, das einem Asthmaanfall glich.
Sein pinkfarbener Knautschsack ragte schon jetzt aus einem Meer von Zetteln heraus. Es waren Zahlenkolonnen und krakelige Buchstaben zu erkennen.
Plötzlich hob Sienhaupt beide Hände in die Höhe, als erwarte er jeden Augenblick etwas Besonderes. Er lachte in alle Richtungen … und dann geschah es. Mangold sah sich verwirrt um. In unterschiedlichen Lautstärken, ganz nachdem, wie die Computer eingestellt waren, erklang »Dancing Queen« von Abba im Präsidium. Es schnarrte, Bässe wummerten im Rhythmus des Songs, und einige Computerlautsprecher klangen viel zu hell. Ein nicht ganz synchroner Gleichklang, der durch das Büro wehte und von den Fluren hereindrang.
Peter Sienhaupt wippte im Rhythmus des Liedes auf seinem Sack hin und her.
Ellen Sienhaupt sah ihn erschrocken an, konnte sich dann aber ein Lachen nicht verkneifen.
Peter
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