Bluttaufe: Thriller
nur, weil ich neugierig bin.«
»Weitere Treffer?«
Wieder ließ der Computerexperte die Zahlenreihen durchlaufen. Eine Zahlenreihe leuchtete auf, und Carlos Wenger kopierte die komplette Zeile.
»Eine Internetadresse«, sagte er und kopierte sie in die Adresszeile.
Auf dem Bildschirm erschien eine Website, die sich »Eurowhereareyou« nannte.
»Euro, wo bist du?«, fragte Hensen.
»Keine Ahnung«, sagte der Computer-Experte und rief den Button »Wir über uns« auf. Über diese Seite konnte jeder,
der Mitglied wurde, die Reisewege seiner Euroscheine verfolgen. Vorausgesetzt, die Mitglieder gaben brav die Nummern der Geldnoten ein, die sie in der Tasche hatten.
»Wer um Himmels willen gibt die Nummern von Banknoten in den Computer?«, sagte Hensen. Statt einer Antwort markierte Wenger die Zeile »über eine Million Mitglieder«.
»Und wo ist jetzt die Zeichenfolge, die Sienhaupts Programm angeblich entdeckt hat?«
Sie durchsuchten die Seiten, doch die Zeichenfolge war nicht zu entdecken.
»Einen Moment«, sagte der Computer-Experte und rief mit ein paar Tastendrucken den Quelltext auf, der den gesamten Webauftritt steuerte.
»Da sind sie«, sagte er. »Verborgen im Quellcode, und der ruft genau die Scheinnummer auf, die Mister Unglaublich auf den Geldschein geschrieben hat.«
Das Seltsame war, dass der Schein in Rhodos-Stadt kursierte.
»Diskos von Phaistos, jetzt Rhodos … der Typ muss eine Vorliebe für Griechenland haben.«
»Oder er will uns etwas mitteilen, das wir unbedingt begreifen sollen. Kannst du dir vorstellen, dass er uns auf einen anderen Serientäter aufmerksam machen will?«
»Warum sollte er, wenn er selbst so bestialisch vorgeht?«
»Kann sein, dass ihm Unrecht oder etwas Übles geschehen ist. Vielleicht ist seine Tochter, sein Sohn oder seine Frau dort ums Leben gekommen, ich werde das überprüfen.«
»Und warum macht er ausgerechnet uns darauf aufmerksam?«
»Für ihn ist die deutsche Polizei zuständig.«
Carlos Wenger überprüfte einige Teile des von Sienhaupt geschriebenen Programms.
»Sicher, ein paar Anfängerfehler und Unsauberkeiten, aber alle Achtung.«
Sienhaupt hatte zahlreiche Internetdienste, die meteorologische Daten, Sternkonstellationen oder geografische Daten übermittelten, genauestens durchforscht.
»Anzeichen für den Kontakt zu einem anderen Internetnutzer?«
»Kann ich nicht feststellen. Da er kein Mailfach hat, dürfte das allenfalls über die besuchten Seiten oder Blogs funktionieren. Normale Passwörter sind für den Mann kein Hindernis. Der scheint richtig Spaß daran zu haben, die zu knacken.«
Weitere Besonderheiten konnte er nicht feststellen. Ob denn mit der Bedienung der Internetgruppe alles liefe, wollte er wissen. Neugierig betrachtete er die mit Fotos, Skizzen und Notizen versehenen Pinwände.
Mangold bejahte und Wenger entschuldigte sich. Er müsse dringend eine Mütze Schlaf »abbeißen«, die letzten zwei Tage hätte er für einen Verlag das Netzwerk warten müssen, und da sei einiges schiefgelaufen.
»Ich verschwinde dann mal«, rief er ihnen beim Hinausgehen zu. Dann drehte er sich noch einmal um und sagte: »Sollten Sie später die Festplatte entbehren können, die wir uns eben angesehen haben, ich würde was springen lassen, wenn ich sie mir eine Nacht ausleihen dürfte.«
»Beweismaterial«, sagte Mangold und wünschte ihm einen guten Abend.
Mangold war gerade dabei, die Berichte des Gerichtsmediziners in die Datenbank zu laden, als das Telefon klingelte.
»Leonie«, sagte Kaja Winterstein.
»Was ist mit Ihrer Tochter?«
»Sie hat sich nicht gemeldet. Auch bei ihrem Vater nicht.«
»Aber …«
»Ich bin in Zürich.«
»Wieso Zürich, ich meine …«
»Weil ich Leonie gestern persönlich in die Maschine nach Zürich gesetzt habe. Es sieht aus, als wäre sie nie hier angekommen.«
16.
Die heruntergekurbelte Scheibe brachte keine Erleichterung. Selbst jetzt am Abend wehte ein warmer Wind durch Rhodos-Stadt.
Der griechische Taxifahrer ließ Hensen direkt an der Festungsanlage aussteigen und bedeutete ihm, dass er den Rest wohl oder übel zu Fuß gehen müsse.
Hensen zog polternd seinen Koffer durch das erste Tor und blickte hinunter auf den trockengelegten Burggraben. Im Mondlicht waren dort neben den Palmen auch die zusammengetragenen Steingeschosse zu sehen, mit denen die Burganlage im 16. Jahrhundert sturmreif geschossen worden war. Errichtet hatte den gewaltigen Komplex der Johanniterorden, der hier verletzte
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