Blutträume
diese Möglichkeit von Anfang an im Kopf hatte. Was auch erklären könnte, warum es ihm in den letzten Jahren so sehr am Herzen lag, die Einheit zusammenzustellen und Haven mitzugründen.«
»Eine paragnostische Armee aufzustellen?«, meinte Jordan in einem Ton, der nicht so leicht war, wie er beabsichtigt hatte.
Hollis drehte ihren Stuhl wieder um und lächelte Jordan an. »Wir wollen nicht die Weltherrschaft übernehmen, ehrlich nicht.«
Jordan merkte, dass er rot wurde. »Das weiß ich doch. Aber zu sehen, wie dieser Schweinehund Paris angegriffen hat, zu wissen, dass es möglich ist, jemanden anzugreifen, ohne Hand an ihn zu legen oder auch nur in Sichtweite zu sein, ist … verdammt gruselig.«
»Ja«, stimmte Hollis zu. »Das ist es.« Dann übernahm die ausgebildete Ermittlerin in ihr, und sie wurde nachdenklich. »Aber … wir wissen eigentlich nicht, ob er nicht nahe genug war, sie zu sehen. Ihr wart hier in der Stadt, oder?«
»Ja. Wir haben gerade eine Kaffeepause gemacht, nachdem wir mit einer weiteren Bankangestellten gesprochen hatten. Was übrigens gar nichts gebracht hat. Sie hat letzten Sommer, als Karen Norvell möglicherweise verfolgt wurde, überhaupt nicht gearbeitet.«
»Tja, es war eine potenzielle Spur, der man nachgehen musste.«
»Selbst bis in eine Sackgasse. Himmel, ich kann Sackgassen nicht ausstehen. Aber egal, wir kamen also gerade aus dem Coffeeshop, und ich schwöre, es traf Paris völlig unvorbereitet. Ich meine, im einen Moment lachte sie noch und ließ sich über dämliche Metaphern für vergebliches Suchen aus, und im nächsten lag sie auf dem Boden.«
»Sie hat nichts gesagt?«
»Hollis, sie war mitten in einem Wort. Und fiel um wie ein Stein. Ich dachte, auf sie wäre geschossen worden, und machte mich auf das Geräusch gefasst. Aber da kam nichts.« Er runzelte die Stirn, als ihn das Gesagte auf eine Idee brachte. »Warte mal. Warum würde unser Mörder jemanden auf diese Weise angreifen, selbst unter der Voraussetzung, dass er Paragnost ist und es könnte? Das entspricht kaum seiner Vorgehensweise – weder hier noch in Boston. Kommt mir viel zu unblutig für eines seiner Verbrechen vor.«
»Ja, das beunruhigt mich auch.«
»Hast du eine Theorie dazu?«
»Eigentlich nicht.«
Jordan seufzte. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie ungern ich das von dir höre.«
»Tut mir leid.«
»Mhm.« Nach einem Augenblick fügte Jordan hinzu: »Ist eher ein Pfeifen im Walde, was wir hier machen, oder?«
»So ziemlich.«
»Ja, das dachte ich mir schon.«
Dani wollte das Krankenhaus nicht verlassen, ohne Paris gesehen zu haben. Den Ärzten gefiel es sowieso nicht, dass sie gehen wollte, aber da all ihre Vitalparameter völlig normal waren und Dani höflich, aber nachdrücklich darauf bestand, es ginge ihr gut, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sie zu entlassen.
Nachdem sie angezogen war, hielten Marc und Bishop sich nahe bei ihr und eskortierten sie zur Intensivstation, auf der Paris angeschlossen an Geräte lag, die ihre schwachen Lebenszeichen kontrollierten.
Bishops »Schutzengel« war bereits dort, saß auf einem Stuhl neben dem Bett und wurde beim Aufstehen einfach als Bailey vorgestellt. Sie war eine unerwartet zart aussehende, hochgewachsene, schlanke Brünette, deren große dunkle Augen so ruhig und tief waren, dass sie fast hypnotisierend wirkten.
Dani verspürte leichten Zweifel, doch der war rasch zerstreut, als sie Bailey die Hand gab. Dani hatte bisher nie sehr stark auf andere Paragnosten reagiert, konnte jedoch die Kraft dieser Frau spüren, die Energie, die sie wie eine warme Decke einhüllte.
»Wow«, sagte sie.
Bailey lächelte schwach. »Ich werde nichts und niemanden an Ihre Schwester heranlassen.«
»Das glaube ich Ihnen.« Sie blickte zu den Männern und fügte hinzu: »Aber wenn es euch nichts ausmacht, wäre ich gern ein paar Minuten allein mit Paris.«
Die Männer wechselten Blicke und zogen sich mit Bailey zurück. Jedoch nur bis zur Tür, wie Dani bemerkte, von wo aus sie Paris und sie nach wie vor im Auge hatten.
Paris …
Dani trat ans Bett, schaute einen Moment lang auf ihre Zwillingsschwester hinab und nahm dann deren kalte, schlaffe Hand in ihre beiden. »Du sagtest, ich solle vorbeikommen. Wenigstens glaube ich, dass du das gemeint hast. Mach dir keine Sorgen, Paris.«
Zuerst war es nur ein Kribbeln, kaum stark genug, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Doch als Dani auf die Hand hinunterschaute, sah sie, dass sich Paris’ Finger um
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