Bluttrinker - Bellem, S: Bluttrinker
gefährlich. Ich kann es nicht genau begründen, aber Andrul war alles andere als ungefährlich. Sollte er wieder nach Surdan zurückkehren, müssen wir uns ihm mit der gesamten Macht des Ordens entgegenstellen.«
Malvner nickte ergeben. »Ganz, wie du es wünschst.«
»Einst warst du ein gelehriger Schüler und nun bist du ein treuer Freund«, sagte Gordan leise. »Danke.«
»Jederzeit.« Damit überließ er den Meister wieder seinen Büchern und Gedanken und schloss bedächtig die Tür hinter sich.
Gordan starrte eine Weile auf die tanzenden Schatten, die durch die Handvoll Kerzen an die Wand geworfen wurden, und erinnerte sich an die Tage, als er selbst noch ein junger Magier gewesen war.
»So viel Zeit«, flüsterte er. »Rinnt durch die Finger wie feiner Sand.«
Er zupfte mit der Rechten an seinem sauber gestutzten Kinnbart. »Was hast du vor, Andrul?«
Sein Kopf wurde immer schwerer und schließlich fiel sein Kinn auf die Brust und er ergab sich der Müdigkeit.
Am nächsten Morgen erwachte Gordan noch immer im Sessel sitzend. Seine Knie knackten wie morsches Holz, als er sich langsam erhob. Die Kerzen waren längst hinuntergebrannt und erloschen.
Einer der Lehrlinge hatte ihm bereits frisches Wasser für seine Waschschüssel gebracht, wovon Gordan nur zu gerne Gebrauch machte. Neben seinem Schrank lag eine Satteltasche mit sauberen Roben, einer warmen Decke für die Nacht und Proviant für einige Tage. Ein ausdauerndes Pferd stand im Stall für ihn bereit.
Malvner war gekommen, um ihn zu verabschieden.
»Seid vorsichtig, mein Freund«, bat Gordan. »Die Dinge scheinen im Umbruch zu sein, und ich kann noch nicht sagen, ob zum Guten oder Schlechten.«
»Immer den Kopf voller Sorgen um andere, was?«, lachte Malvner. »Gib lieber auf dich selbst acht, sonst landest du noch im Magen eines Schneetrolls.«
Sie reichten einander die Hände und ergriffen sich gegenseitig an den Unterarmen. »Auf bald, mein Freund«, sagte Gordan und stieg in den Sattel.
Er warf noch einen letzten Blick auf das Arkanum, den Obelisken aus Obsidian, der wie ein einzelner riesiger Reißzahn aus der Erde ragte. Dann gab er dem Pferd die Sporen und der Wallach sprang aus dem Stand in den Galopp, trug Gordan mit klackernden Hufen über Surdans gepflasterte Straßen hinaus in die Steppe.
Die Landschaft flog geradezu dahin. Die saftigen Wiesen, die hoch im Gras standen und auf denen die vereinzelten Wolken am Himmel kleine Schattenbilder zeichneten. Das Land stieg sanft an, denn schon einen Tagesritt entfernt erhoben sich die Todfelsen drohend in den Himmel. Die grauen Berge, deren vom ewigen Eis bedeckte Gipfel weiß erstrahlten, waren nicht bloß die Heimat der Zwerge; auch Goblins, Orks und Schneetrolle kämpften dort um ihr Überleben ebenso wie manches Tier. Ein leichter Rückenwind schien seine Reise zu beflügeln und Gordan lachte laut vor Freude. Selten hatte er sich so lebendig gefühlt, so frei.
Gegen Einbruch der Dunkelheit erreichte er eine kleine Höhle, die ihm schon viele Male als Unterschlupf für die Nacht gedient hatte. Mit einem einfachen Lichtzauber erkundete er den kleinen Raum, um sicherzustellen, dass kein Bär oder Berglöwe die Höhle an diesem Abend für sich beanspruchte.
Als er sicher war, alleine zu sein, breitete er die Decke aus und ließ sich erschöpft darauf nieder. »So beeindruckend der Anblick auch ist, Astralreisen sind wesentlich weniger anstrengend«, sagte er laut und zerriss die Stille.
Schon am nächsten Tag könnte er den südlichen Eingang zur Feste Gulmar erreichen, da der Pass nicht verschneit und der Wallach an das Gehen im Gebirge gewöhnt war.
Ein wenig gelangweilt kaute Gordan auf einem Stück Brot und einem Bissen Käse herum. Schon lange war er nicht mehr allein unterwegs gewesen. Seine Magie hatte ihn immer rasch von einem Ort an den anderen gebracht. Doch bei den Zwergen hatte er noch keinen Aurastein platziert, was ihm ein magisches Versetzen an diesen Ort unmöglich machte.
Man konnte sich durch den Astralraum im Bruchteil eines Augenblicks von einem Ort an den nächsten bewegen, doch man brauchte einen Ankerpunkt. Im Astralraum erstrahlten die Auren aller Magier der Welt, manche schwächer, andere stärker. Je länger ein Zauber zurücklag, desto schwächer war er im Astralraum zu sehen. Magier sprachen vom
Gedächtnis der Magie
, wenn sie sich auf dieses Phänomen bezogen. Doch ansonsten war der Astralraum ein trostloser Ort. Ein dunkles Meer aus ungebündelter
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