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Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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graues
Jackett. Die Farbe seiner durchdringenden, hellblauen Augen fand sich in der
Seidenkrawatte wieder. Goldene Manschettenknöpfe blitzten.
    Trotz seines wohlhabend-konservativen Auftretens, und
obgleich Tony bemerkte, dass sogar ihre von keiner Leidenschaft berührte Mutter
von seinem Äußeren geblendet war, ließ sie seine Hand unhöflich schnell los,
als hätte sie sich verbrannt. War das ein Anflug von Furcht, der Margarethe
Lembergs übliches, falsches Lächeln für einen Augenblick verdrängte?
Während die Blicke ihrer Mutter betäubt über den Konzertflügel wanderten,
begaffte Tonys Vater die Dachterrasse und das weihnachtlich beleuchtete
Panorama der Stadt. Tatsächlich brauchten ihre Eltern so lange, um sich zu
orientieren, dass Lukas bereits ihre Garderobe weggeräumt hatte, bevor sie
bemerkten, dass Tony ihnen gegenüberstand.
    Ihr Vater schien sie kaum zu beachten. Wie so oft glitt sein
unsteter Blick an ihr vorbei. Ihre Mutter dagegen musterte sie betont intensiv.
„Antonia!“ Sie seufzte theatralisch, während sie ihre Tochter besitzergreifend
umarmte. „Du siehst gesund aus!“
Lukas Mundwinkel zuckten amüsiert. Er verstand sofort, was Tony gemeint hatte.
Ihre Mutter brachte mit diesem unverfänglichen Satz nicht nur ihren Unwillen
zum Ausdruck, dass Tony seit einer Woche nicht mehr zu erreichen war. Ihre
erstaunten Worte enthielten auch ihr geballtes Misstrauen ihm gegenüber.
„Tony sieht heute Abend fantastisch aus“, bemerkte Lukas und erntete prompt
einen giftigen Blick, den Margarethe ihm über Tonys Schulter zuwarf. Dabei
entging ihm nicht, wie sie abschätzend das teure Parfum einatmete, mit dem Nora
Tony ausstaffiert hatte.
    Wie erwartet wollte Nora, nachdem ihr Sohn sie in den Plan
eingeweiht hatte, nichts dem Zufall überlassen. Bei einem Bummel über den
Weihnachtsmarkt erklärte sie Tony, wie sie ihrer Mutter einen kleinen Schubs
in die richtige Richtung geben wollte, wie sie sich ausdrückte.
    „Wir gehen gleich morgen Vormittag einkaufen!“ verkündete
Nora und nippte an ihrem dampfenden Becher Glühkirsch. „Vorher können wir bei
Blums frühstücken. Es ist mein Lieblingscafé, aber ich war seit dem Frühjahr
nicht mehr dort.“
    Um die beiden Frauen herum schoben sich die Massen der
Weihnachtsmarktbesucher. Aus blechern klingenden Lautsprechern drang „Stille
Nacht“, von piepsigen Kinderstimmen gesungen und die Gerüche verschiedenster
Leckereien verbanden sich zu einem mundwässernden Aroma.
    Lukas Mutter begutachtete kritisch Tonys Haarlänge. „Dann
machen wir einen Termin in Veronikas Salon für dich aus.“
„Ist das auch eine Freundin von dir?“, erkundigte sich Tony ergeben.
„Veronika ist keine Gefährtin, wenn du das meinst. Wenn Johann sich dazu
durchringen kann, mit mir ins Theater zu gehen, lasse ich mich gern ein wenig
von ihr herrichten. Sie ist begnadet. Jedenfalls für eine Sterbliche.“
Tony ging ein Licht auf.
„Du meinst einen Kosmetiksalon? Oh, nein! Friseur ist okay, da spiele ich noch
mit. Aber ich lasse mich doch nicht anmalen, nur weil meine Mutter zu Besuch
kommt.“
Nora nahm einen ausgiebigen Schluck aus ihrer abkühlenden Glühweintasse.
„Es muss sein! Mein ganzer Plan steht und fällt damit, dass deine Mutter vor
Neid eine Gallenkolik bekommt. Das habe ich dir doch erklärt.“
„Es ist egal, was ich tue, was ich anziehe, oder wie ich aussehe. Meine Mutter
beneidet mich doch nicht. Sie hält mich für völlig lebensuntüchtig.“
Nora grinste. „Das glaubst du. – Dein Vater ist Beamter, nicht?“
Tony nickte und warf begehrliche Blicke auf die Crêpes mit Haselnusscreme und
Bananen, die zwei Teenager an ihnen vorbeitrugen. Diesem Stand mussten sie
unbedingt einen Besuch abzustatten.
„Finanzbeamter im Ruhestand. Seit fünf Jahren. Mein Bruder Roland hat jetzt den
Posten, den mein Vater früher hatte. Tatsächlich glaube ich, dass er sogar am
gleichen Schreibtisch sitzt. Ist das nicht furchtbar?“
„Und deine Mutter war immer Hausfrau?“
„Sie hat irgendwann mal Verkäuferin in einer Metzgerei gelernt. Nachdem mein
Bruder geheiratet hatte, beschloss sie, wieder berufstätig zu werden. Alle in
ihrem Bekanntenkreis taten das. Also saß sie eine Weile im Supermarkt an der
Kasse. Aber sie hat das nicht lange gemacht. Ich denke, dass sie nicht schnell
genug war und gekündigt hat, bevor man sie entlassen konnte.“
„Ist dein Vater ein attraktiver Mann?“
Tony musste kichern.
„Schon gut. Verschluck dich nicht. Was glaubst

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