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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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solche Vorgabe gehalten. Was in der Kneipe geschehen war, erforderte jedoch für dieses Projekt neue Regeln.
    Er hatte gehofft, Fotos von Familienmitgliedern und Freunden zu finden, Highschool-Jahrbücher, Erinnerungen an Urlaubsreisen und frühere Liebschaften, aber da war nichts. Auch auf der staubfreien Frisierkommode und den sauber polierten Nachttischen stand kein einziges Foto.
    Es sah so aus, als hätte sie einen klaren Schnitt zwischen sich und ihrer Vergangenheit gemacht. Weshalb sie das getan hatte, wusste Krait nicht, doch er fand es gut. Mit Leuten, die ankerlos dahintrieben und allein waren, wurde man leichter fertig.
    Krait hatte den Vorgang eigentlich so inszenieren sollen, dass es wie ein Einbruch aussah. Er sollte die Frau vergewaltigen und dann auf eine Weise umbringen, die der Polizei die Vermutung aufdrängte, der Mörder sei nichts anderes als ein psychopathischer Sexualverbrecher, dem sie zufällig zum Opfer gefallen war.
    Die Einzelheiten eines solchen Auftrags blieben grundsätzlich ihm überlassen. Er war ein Genie im Erfinden von
Inszenierungen, die selbst die besten Profiler der Polizei hinters Licht führten.
    Er trat an die Kommode, um in den Schubladen nach den Fotos und anderen persönlichen Gegenständen zu suchen, die er im Kleiderschrank nicht gefunden hatte.
    Obwohl ihm entsprechende Gefühle verboten waren, hatte Neugier Krait erfasst. Er wollte wissen, wieso der groß gewachsene Kerl an der Theke sich für sie eingesetzt hatte. Was an dieser Frau hatte den Kneipenhocker nur dazu gebracht, ein derartiges Risiko auf sich zu nehmen?
    Normalerweise lief Kraits Arbeit ausgesprochen schematisch ab. Ein unbedeutenderer Mensch, der unfähig war, die feinen Nuancen dieser Profession zu genießen, hätte sich schon nach wenigen Jahren gelangweilt. Krait hingegen fand seinen Beruf befriedigend, nicht zuletzt gerade weil seine Aufträge sich so beruhigend glichen.
    Sauberkeit war zwar die Eigenschaft, die Krait am meisten schätzte, aber fast genauso wichtig war ihm, dass alles in vertrauten Bahnen ablief. Fand er einen Film, den er mochte, dann sah er ihn sich ein- oder zweimal pro Monat an, manchmal sogar zweimal an einem Abend. Oft verzehrte er eine oder zwei Wochen lang jeden Abend das gleiche Essen.
    Trotz ihres äußerst vielfältigen Aussehens waren die Menschen so berechenbar wie die Wendungen jener Filme, die Krait in sein Herz geschlossen hatte. Ein Mann, den er bewunderte, hatte einmal gesagt, die Menschen seien Schafe, und in den meisten Belangen traf das auch zu.
    Da er der menschlichen Spezies durch seine Arbeit auf äußerst intime Weise nahekam, hatte er den Eindruck, dass der Mensch dem Schaf sogar unterlegen war. Schafe waren zwar gefügig, aber immerhin wachsam. Im Gegensatz zu vielen Leuten waren Schafe sich immer der Tatsache bewusst, dass es Raubtiere gab, weshalb sie auf den Geruch und die Hinterlist von Wölfen achteten.

    Die braven Bürger Amerikas hingegen waren heutzutage so wohlhabend und so vom reichhaltigen Angebot der Unterhaltungsindustrie abgelenkt, dass sie sich ihren Spaß nur ungern durch die Vorstellung schmälern ließen, es gebe Wesen mit scharfen Zähnen und mächtig Appetit. Wenn sie ab und an trotzdem einen Wolf erkannten, dann warfen sie ihm einen Knochen hin und redeten sich ein, es handle sich um einen Hund.
    Echte Bedrohungen leugneten sie, indem sie ihre Ängste auf die unwahrscheinlichsten Formen des Weltuntergangs richteten: auf einen gewaltigen Asteroiden, der auf die Erde prallte, auf Wirbelstürme, doppelt so groß wie Texas, auf einen durch den Millennium-Bug hervorgerufenen Zusammenbruch der Zivilisation, auf Atomkraftwerke, die Löcher in unseren Planeten schmolzen oder darauf, dass aus den Reihen der unglückseligen, schlecht frisierten Fernsehprediger, von denen es bei manchen Sendern wimmelte, urplötzlich ein neuer Hitler zum Vorschein kam.
    Deshalb fand Krait, dass die Leute sich weniger wie Schafe, sondern vielmehr wie Kühe verhielten. Er ging unter ihnen umher, als wäre er unsichtbar. Sie vertrauten auf die Sicherheit der Herde und grasten verträumt vor sich hin, während er sie Stück um Stück abschlachtete.
    Seine Arbeit war sein Vergnügen, und beides würde er im Überfluss haben, bis eines Tages ein Mörder, der grandioser auftrat als er, Feuer auf die Herde schleuderte und sie zu Zehntausenden über die Klippen trieb. Dann würden die restlichen Kühe misstrauisch werden, und eine Weile hätte Krait es bei seiner Arbeit

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