Blutvertrag
Paquette sicher keine derartige Unordnung hinterlassen, wenn sie keinen dringenden Grund gehabt hätte, das Haus zu verlassen. Außerdem hatte sie einen Gast gehabt. Vielleicht hatte dieser Gast sie davon überzeugt, keine Zeit damit zu vergeuden, die Becher abzuspülen.
Diese Vermutung war nicht das Einzige, was Krait an den Bechern interessierte. Besonders ausgiebig betrachtete er den mit dem Papageiengriff, den er einfach reizend fand. Er spülte ihn aus, trocknete ihn ab und wickelte ihn in ein Geschirrtuch, um ihn mitzunehmen.
In dem Messerhalter an der Wand fehlte ein Messer. Auch das war interessant.
Aus dem Kühlschrank holte Krait die verbliebene Hälfte eines hausgemachten, mit Zimt bestäubten Eiercremekuchens. Er schnitt sich ein ordentliches Stück davon ab und legte es auf einen Teller. Den stellte er auf den Küchentisch und besorgte sich eine Gabel.
In der Kanne auf der Warmhalteplatte befand sich noch Kaffee. Krait goss sich eine Tasse ein und kostete. Der Kaffee war zwar noch nicht bitter geworden, konnte jedoch einen Schuss Milch vertragen.
Am Tisch sitzend, betrachtete er den alten Ford, während er Kuchen aß und Kaffee trank. Die Eiercreme war ausgezeichnet.
Er durfte nicht vergessen, der Bäckerin später ein Kompliment zu machen.
Krait trank gerade den letzten Schluck Kaffee, da vibrierte sein Mobiltelefon. Er hatte eine SMS empfangen.
Als er vorher die Kneipe aufgesucht hatte, um den Namen des großen Kerls auf dem letzten Barhocker herauszubekommen, hatte der Barkeeper sich dumm gestellt.
Fünf Minuten, nachdem Krait aus der Tür gegangen war, hatte Liam Rooney jedoch jemanden angerufen. Die SMS, die Krait gerade bekommen hatte, enthielt die von Rooney gewählte Nummer und den Namen der Person, auf die das betreffende Telefon angemeldet war: TIMOTHY CARRIER.
Auf dem Bildschirm erschien auch die Adresse von Carrier. Die würde Krait vorläufig allerdings kaum von Nutzen sein. Falls es sich bei Carrier um den Mann auf dem letzten Hocker gehandelt hatte und falls er nach Laguna Beach gefahren war, um Paquette zu warnen, war er wohl kaum dämlich genug, um anschließend einfach nach Hause zu fahren.
Zusätzlich zu Name und Adresse hatte Krait auch den Beruf dieses Kerls erfahren wollen. Carrier arbeitete als selbstständiger Maurermeister.
Krait hatte die Daten gerade gespeichert, als das Telefon erneut vibrierte. Auf dem Bildschirm tauchte in Megapixelklarheit ein Foto des Maurers auf, und er war zweifelsfrei der Mann aus der Kneipe.
Vor Ort arbeitete Krait alleine, doch er verfügte über eine ausgezeichnete technische Unterstützung.
Er steckte sein Handy ein, ohne das Foto zu speichern. Womöglich musste er noch mehr über Carrier in Erfahrung bringen, doch das hatte Zeit.
In der Kanne war noch eine letzte Tasse Kaffee, die er wieder mit einem großen Schuss Milch aufgoss. Er trank sie am Tisch.
Trotz der Kühnheit, mit der man Küche und Garage zusammengelegt hatte, war es hier sehr gemütlich.
Im Grunde gefiel Krait der ganze Bungalow, vor allem wegen seiner sauberen Einfachheit. Hier konnte jeder leben, ohne dass man wusste, wer der Bewohner wirklich war.
Früher oder später würde das Haus zum Verkauf gelangen. Das Eigentum einer Person zu erwerben, die er ermordet hatte, wäre zu riskant gewesen, aber die Vorstellung gefiel ihm.
Krait spülte Tasse, Teller, Gabel und Kaffeekanne ab, gefolgt von dem Roosevelt-Becher, den entweder Paquette oder ihr Gast benutzt hatten. Dann trocknete er alles ab und räumte es weg. Nachdem er das Becken mit Wasser ausgespült hatte, wischte er es mit Papiertüchern trocken.
Kurz bevor er das Haus verließ, ging er zu dem alten Ford, öffnete die Fahrertür, trat gerade so weit zurück, um keine Spritzer abzubekommen, öffnete seinen Reißverschluss und urinierte in das Fahrzeug. Spaß machte ihm das zwar nicht, aber es war notwendig.
8
Pete Santo wohnte in einem bescheidenen Haus im spanischen Stil, gemeinsam mit einer schüchternen Hündin namens Zoey und einem toten Fisch namens Lucille.
Hübsch ausgestopft und präpariert, hing Lucille, ein Speerfisch, über dem Schreibtisch im Arbeitszimmer.
Pete war kein Angler. Der Speerfisch hatte sich bereits im Haus befunden, als er es gekauft hatte.
Getauft hatte er ihn nach seiner Exfrau, die sich von ihm hatte scheiden lassen, als ihr nach zwei Ehejahren klargeworden war, dass sie ihn nicht ändern konnte. Sie hatte ihn dazu bringen wollen, den Polizeidienst zu quittieren,
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