Blutvertrag
hatte.
Tim schlenderte zu dem silbernen Cadillac. Die Türen waren verschlossen. Als er durch die Fenster spähte, sah er keine persönlichen Gegenstände. Das Handschuhfach stand offen und schien leer zu sein.
Allem Anschein nach handelte es sich um einen gerade in Zahlung gegebenen Wagen, der noch nicht verkaufsfertig war. Womöglich würde sich mehrere Tage lang niemand darum kümmern. Das war wichtig, denn je früher jemand mit dem Wagen fahren wollte, desto eher wären die fehlenden Nummernschilder aufgefallen. Die waren am Fahrzeug geblieben, wie das in Kalifornien üblich war.
Es dauerte nicht lange, bis Tim die Schilder vom Cadillac abgeschraubt und am Honda angebracht hatte.
Als er sich wieder ans Lenkrad setzte, sagte Linda: »Immer noch kein Netz. Wenn ich noch Schriftstellerin wäre, würde ich ein Buch über einen Psychopathen schreiben, der jemanden verfolgt, weil der eine versprochene Garantie nicht eingehalten hat.«
»Was für eine Garantie?«
»Sofortige Aktivierung natürlich.«
»Und was tut der Psychopath, wenn er den Kerl findet? «
»Er deaktiviert ihn.«
»Du bist immer noch eine Schriftstellerin«, sagte Tim.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht recht. Und wenn ich es nicht weiß, wie willst du es dann wissen?«
Tim ließ den Motor an. »Weil wir sind, was wir sind.«
»Das ist echt tiefgründig. Wenn ich je wieder ein Buch schreiben sollte, werde ich den Spruch bestimmt verwenden. «
»Ich zum Beispiel dachte, ich könnte einfach nur ein Maurer sein. Nun bin ich zwar ein Maurer, klar, aber ich bin auch noch das, was ich früher war.«
Während er losfuhr, spürte er den Blick der grünen Augen überall auf seinem Gesicht.
»Und was warst du früher?«, fragte sie.
»Mein Vater ist auch Maurermeister, und ein verflucht guter dazu. Maurer zu sein, prägt ihn auf eine Weise, wie es mich offenbar nicht vollständig prägt, obwohl ich wünschte, es wäre anders.«
»Dein Vater ist ein Maurermeister«, sagte sie fast verwundert, als hätte er ein tiefes Geheimnis offenbart.
»Wieso ist das denn so erstaunlich? Handwerker geben ihren Beruf doch oft an ihre Kinder weiter – oder sie versuchen es zumindest.«
»Hm. Das dürfte jetzt ziemlich dämlich klingen, aber seit du an meiner Haustür aufgetaucht bist, ist alles so schnell gegangen … und da habe ich nie darüber nachgedacht, dass du einen Vater hast. Magst du ihn?«
»Ob ich ihn mag? Wieso sollte ich ihn denn nicht mögen?«
»Väter und Söhne, das läuft nicht immer so blendend.«
»Er ist ein toller Typ. Ehrlich.«
»Mein Gott, dann hast du ja auch eine Mutter, oder?«
»Tja, mein Dad ist keine Amöbe, die sich einfach geteilt hat, und da war ich.«
»O mein Gott«, sagte sie leise und ein wenig ehrfürchtig, »wie heißt denn deine Mutter?«
»O mein Gott, ihr Name lautet Mary.«
»Mary«, wiederholte Linda, als hätte sie den Namen nie zuvor gehört und würde seinen Klang nun auf der Zunge kosten. »Ist sie auch so toll?«
»Sie ist so toll, dass es kaum auszuhalten ist.«
»Wie heißt dein Vater?«
» Walter.«
»Walter Carrier?«
»Logisch, oder?«
»Hat er auch einen so großen Schädel wie du?«
»Soweit ich mich erinnern kann, ist er kein Stückchen kleiner.«
»Walter und Mary«, sagte sie. »O mein Gott.«
Verblüfft sah er sie an. »Worüber grinst du eigentlich so?«
»Ich dachte, du wärst ein fremdes Land.«
»Was für ein fremdes Land?«
»Dein eigenes Land, ein exotisches Reich, in dem es unheimlich viel zu erforschen gibt. Aber du bist kein fremdes Land.«
»Ach nein?«
»Du bist eine ganze Welt !«
»Ist das wieder mal eine Anspielung auf meinen Quadratschädel? «
»Hast du Brüder oder Schwestern?«
Tim bog auf die Hauptstraße ein. »Schwestern habe ich keine, aber einen Bruder. Zach. Er ist fünf Jahre älter als ich und hat einen normalgroßen Kopf.«
»Walter, Mary, Zach und Tim«, kombinierte Linda und sah entzückt drein. »Walter, Mary, Zach und Tim.«
»Nur der Vollständigkeit halber, da momentan offenbar alle derartigen Informationen von Bedeutung sind: Zach ist mit einer Frau namens Laura verheiratet, und die beiden haben eine kleine Tochter, die Naomi heißt.«
Lindas Augen glänzten, als würde sie Tränen zurückhalten, aber sie sah überhaupt nicht wie eine Frau aus, die gleich losheulen wollte. Ganz im Gegenteil.
Tim spürte, dass er mit dieser Frage womöglich einen wunden Punkt berührte, aber er sprach sie trotzdem aus. »Wie steht es
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