Blutwelt
mir Platz geschaffen, und so betrat ich ebenfalls die fremde Umgebung, in der es nicht völlig dunkel war, denn das Licht draußen fand auch seinen Weg durch die Fenster und verteilte sich als grauer Schleier innerhalb des Hauses. Es drang bis hin zum Boden, wo es dann einen Teppich bildete, der über den alten Holzboden zu schweben schien. Es roch feucht. Das Holz gab diese Feuchtigkeit ab, die sich in all den Jahren darin gesammelt hatte.
Um Licht zu haben, mussten wir unsere Taschenlampen einsetzen, aber darauf verzichteten wir zunächst.
Es gab keinen Flur und auch keinen extra abgetrennten Eingangsbereich. Unser Blick glitt in den großen Raum hinein, der an der hinteren Seite mehrere kleine Fenster besaß, die uns als graue Vierecke auffielen. Eine großartige Einrichtung hatten wir nicht erwartet und wurden deshalb auch nicht enttäuscht, als sich nur wenige Möbel aus dem Grau hervorschälten.
Es herrschte ein Licht, das den Namen nicht verdiente. Zwielicht war als Beschreibung besser, und dieses Licht war natürlich schlecht für die Augen.
Bill griff bereits nach seiner Leuchte, als ich ihm eine Hand auf den Arm legte.
»Was ist denn?«
»Wir sind nicht allein!«, wisperte ich.
Selbst jetzt war zu sehen, wie ein Schauer über seinen Nacken rann. Er hatte die Person noch nicht gesehen, weil sein Blick nach links gerichtet war, wo es am dunkelsten im Haus war. Aber ich hatte den Umriss bemerkt, und ich wusste mit Sicherheit, dass es keine Statue war, auch wenn es so aussah.
Schon jetzt spürte ich den kalten Schauer. Er war ein Beweis, dass ich etwas hier finden würde. Etwas Entscheidendes, und für einen Moment spürte ich den Adrenalinstoß.
Dann hörte ich das Lachen.
Es reichte aus. Die Person brauchte kein einziges Wort zu sagen, und sie musste sich erst gar nicht vorstellen. Ich wusste, wer dieses Lachen abgegeben hatte.
Justine Cavallo!
***
Die blonde Bestie hatte auf uns gewartet!
Ich dachte daran und überlegte auch, ob ich enttäuscht sein sollte oder nicht.
Nein, ich war es nicht. Ich war sogar froh. Ich wusste, dass es nun weiterging, denn all das Geschehen war bisher nach ihren eigenen Plänen verlaufen.
Aus meinen Mund drang kein Laut, nur der scharfe Atemzug war zu hören. Neben mir bewegte sich Bill. Er flüsterte in mein Ohr: »Ist sie das?«
»Ja, das ist sie.«
Nach einem Namen hatte er nicht zu fragen brauchen. Es lag auf der Hand, wer uns da erwartet hatte, und ich sah, wie Bill sich anspannte und eine lauernde Haltung einnahm.
»Ich freue mich, dich zu sehen, John.« Wieder lachte sie hämisch. »Und du bist nicht allein gekommen. Hattest du Angst? Dachtest du, dass zwei Menschen besser sind als einer. Du hast unsere letzte Begegnung bestimmt nicht vergessen...«
»Das habe ich tatsächlich nicht, Justine, obwohl die gar nicht mal so wichtig ist.«
»Oh – danke. Aber das kann sich ja ändern.«
So hatte ich mir das auch gedacht. Sie war keine Person, die einfach nur aus Spaß hier saß und uns erwartete. Sie wollte etwas, sie hatte einen Plan aufgebaut, und der war hier zu Ende.
»Wer ist der Mann an deiner Seite, dessen Blut ich jetzt schon rieche?«, fragte sie.
»Ich heiße Bill Conolly«, sagte der Reporter, »und an meinem Blut wirst du ersticken, falls du je einen Versuch unternehmen solltest, es zu trinken.«
Die blonde Bestie lachte. »Ja, ja«, rief sie schließlich, »du passt zu Sinclair. Auch er hat immer diese Sprüche auf Lager. Aber da habt ihr euch geirrt. Hier bestimme ich und niemand sonst.«
Ich hatte keine Lust, die allgemeine Laberei über mich ergehen zu lassen. Es brachte auch nichts, wenn Drohungen hin- und herflogen, deshalb sagte ich mit scharfer Stimme: »Was willst du, Justine? Warum hast du das alles inszeniert?«
Jetzt, wo wir besser sahen, waren auch ihre blonden Haare zu erkennen. Zudem bewegte sie noch ihren Kopf, aber sie stand nicht auf, sondern blieb sitzen.
»Du solltest dir eigentlich denken können, Sinclair, was ich vorhabe oder was wir Vorhaben. Hier geht es um ganz bestimmte Dinge, die geregelt werden müssen. Wir wollen freie Bahn haben, und deshalb müssen die Störenfriede aus dem Weg geräumt werden. Einer lebt schon nicht mehr. Dein Freund, der Abbé ist tot. Das hatte der Grusel-Star zu verantworten. Jetzt bin ich an der Reihe, und man hat mir ein anderes Feld überlassen, nämlich deinen alten Freund Frantisek Marek, den Vampirjäger. Es kann doch nichts Größeres geben, als ihn ebenfalls zu einem Blutsauger
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