Blutwelt
zu machen. Und das habe ich getan, ganz einfach...«
Sie hatte eine Wahrheit so locker dahingesprochen, dass mir das Blut in den Kopf stieg und ich plötzlich ein Rauschen in beiden Ohren hörte. Dabei hatte ich das Gefühl, mich auf der Stelle zu drehen und in den Boden gezogen zu werden.
Neben mir hörte ich Bill aufstöhnen. Auch er durchlebte ähnliche Gefühle wie ich. Plötzlich entstanden Bilder vor meinen Augen. Einige Szenen aus der Vergangenheit liefen ab, in denen Marek und ich eine Hauptrolle gespielt hatten.
Aber die Bilder verwischten schnell, und es tauchte ein anderes Gesicht auf. Das der Justine Cavallo. So glatt, so kalt und schön zugleich. Etwas würgte in meiner Kehle und hinderte mich daran, auch nur ein Wort zu sprechen. Wenn überhaupt, dann rutschte nur ein trockenes Würgen aus meiner Kehle.
Bill stieß mich an. Durch seine nächsten Worte wollte er mich trösten. »Noch haben wir keinen Beweis, John...«
»Du kennst sie nicht.«
Er schwieg.
Auch die Cavallo sagte nichts. Sie blieb sitzen und sorgte dafür, dass wir unseren Schock überwinden konnten. Schließlich, als sie bemerkte, dass ihre Zeit gekommen war, nickte sie uns wieder zu. »Solltet ihr daran denken, auf mich zu schießen oder mich mit anderen Waffen anzugreifen, möchte ich euch daran erinnern, dass ich immer schneller sein werde, denn ich halte hier eine Waffe in der Hand. Und ich werde schneller abdrücken, als ihr reagieren könnt.«
»Schon klar«, sagte ich gepresst.
»Dann ist ja alles geregelt.«
»Nicht ganz.«
»Ich höre, John!«
»Was genau ist mit Marek geschehen, und wo können wir ihn sehen oder finden?« Die Frage war mir nicht leicht gefallen. Ich hatte mich sehr zusammenreißen müssen, um sie zu stellen, und ich hoffte, meiner Stimme einen einigermaßen normalen Klang gegeben zu haben.
»Er lebt«, erklärte sie mit fast fröhlicher Stimme. »Ja, euer Marek lebt.«
»Als Mensch?«
»Nein, das nicht. Er ist ein Vampir. Ich habe ihm das andere Leben gegeben, wenn du verstehst.«
Zum Glück waren wir schon darauf vorbereitet gewesen, sonst hätte ich vielleicht noch durchgedreht. So aber riss ich mich zusammen und blieb sogar recht ruhig. Nur an meinem Rücken schienen eisige Finger nach unten zu gleiten, die klebenblieben und einfach nicht verschwinden wollten.
»Scheiße, verdammte!«, hauchte Bill. Auch er erstickte beinahe an seiner Wut und Hilflosigkeit.
Wir standen hier im Zwielicht und kamen uns vor wie zwei Statisten, die für eine Stellprobe auf die Bühne geholt worden waren. Unser Leben hatte einen Knick bekommen, und beiden war uns klar, dass uns einer der schwersten Gänge bevorstand, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Frantisek Marek war ein echter Freund und Verbündeter gewesen. Ich kannte keinen, der Blutsauger mehr hasste als er. Wir hatten mal über den Tod gesprochen, und er hatte erklärt, dass es ihm praktisch egal war, wie er mal enden würde. Nur nicht als Vampir. Das war stets sein Trauma gewesen, aber nun gab es kein Zurück mehr.
Wie gern hätte ich auf die Cavallo geschossen, aber dieses Zwielicht war ihr Vorteil, nicht der unsrige. Sie sah in der Dunkelheit, was unsere Augen leider nicht schafften.
»Auch das Blut eines schon älteren Mannes kann schmecken.« Sie kicherte. »Dabei hat er heute Geburtstag. Na, das wird eine Feier.« Wieder lachte sie hässlich, und meine Wut stieg noch mehr an.
»Ich will ihn sehen!«, schrie ich in das Lachen hinein, das sofort verstummte.
»Das habe ich mir gedacht.«
»Wo ist er?«
Justine gab noch keine Antwort. »Darf ich fragen, was du mit ihm vorhast, Sinclair?«
»Mich verabschieden.«
»Oh ja, sehr schön. Das gehört sich auch so. Da bin ich ganz deiner Meinung. Aber wie willst du das tun? Sag mir, wie du dich verabschieden willst. Mit einem letzten Wangenkuss, der ihn bestimmt freuen wird, denn dazu musst du nahe an ihn heran, Sinclair, und dann wird er dein Blut riechen. Wenn er es mal gerochen hat, wird ihn nichts mehr halten können. Da spielt es keine Rolle, ob ihr befreundet seid oder nicht. Da will er nur eines. Dich leersaugen. Trinken, schlürfen und genießen.«
»Ich weiß es.«
»Aber du wirst es dazu nicht kommen lassen, Sinclair. Auf keinen Fall, denn du willst weiterhin leben. Er oder du.« Sie freute sich wieder lautstark. »Klar, dass du dich für dich entscheidest und ihn einfach vernichten musst. Du wirst ihn töten, und eigentlich müsstest du ihn pfählen, damit du seinem Namen alle
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