Blutwind
ich gehe davon aus, dass sie irgendjemandem die ganz große Nummer liefert.«
»Aber wieso haben die beiden sie selbst dorthin gefahren? Und wieso warten sie?«
»Vielleicht ist es ein wichtiger Kunde?« Allan schaute auf die Uhr des Armaturenbretts.
Sanne biss sich auf die Lippe. »Und wenn Ulrik nun Recht hat …?«
Sie sahen sich an. Sanne drehte den Zündschlüssel um. Allan griff ins Handschuhfach, nahm das Blaulicht heraus, ließ das Fenster herunter und drückte es aufs Dach. Sie setzte zurück, schnitt den Wagen vor sich und nahm die scharfe Ecke zur Istedgade in ziemlich hohem Tempo. Als sie auf den Hauptbahnhof zufuhren, trat sie das Pedal durch.
Vor der Hausnummer 22 hielten die Kollegen auf der rechten Seite von Søtoften in einem grünen Opel. Meritons Audi parkte ein Stück weiter vorn an der Straße. In der Einfahrt von Nummer 16 stand ein relativ neuer roter Toyota. Im Haus flackerte Licht hinter den heruntergelassenen Jalousien. Allan nahm mit den Kollegen über Funk Kontakt auf.
»Und … irgendwas vorgefallen?«
»Nichts.« Die Stimme war metallisch, aber klar. »Sie haben sich nicht vom Fleck gerührt.«
Sanne rutschte nervös auf ihrem Sitz hin und her. Allan fummelte am Sicherheitsgurt.
»Das gefällt mir gar nicht.« Er renkte sich fast den Nacken aus, um die Straße beobachten zu können.
»Und wenn es sich doch nur um ein ganz gewöhnliches Geschäft handelt?« Sanne hatte die Hand am Handgriff.
»Und wenn er ihr gerade die Augen herausoperiert?« Allan klickte den Sicherheitsgurt auf und öffnete entschlossen die Tür.
In diesem Moment knisterte das Funkgerät. Ulriks Stimme war klar und deutlich zu hören.
»Wisst ihr, wer dort wohnt?«
Woher wusste er, wo sie waren?
»Das dachte ich mir.« Ulrik machte eine Pause. »Mathias Langhoff, der Gemeindedirektor der Kommune Gentofte. Seid ihr euch darüber im Klaren, welche Schwierigkeiten er uns machen kann? Ihr stürmt da jetzt nicht rein, nur weil er sich ein bisschen vergnügt, wenn seine Frau nicht da ist.«
Allan atmete tief durch und ließ sich auf den Sitz zurückfallen. Sanne schloss die Augen.
»Habt ihr etwas … ich meine, irgendetwas Konkretes?« Ulrik hatte die Stimme gesenkt. »Etwas, das ein Eindringen rechtfertigen würde?«
Weder Sanne noch Allan antworteten.
»Ah ja. Dann bleibt ihr einfach sitzen.«
Etwas Gelbes, Warmes wurde im Seitenspiegel reflektiert und verschwand. Eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Sanne beugte sich vor, kniff die Augen zusammen.
»Da kommt sie.« Das Mädchen trippelte mit gesenktem Kopf die Treppe hinunter. Eine Zigarette glühte zwischen ihren Lippen. Die Hintertür des Audis ging auf, sie setzte sich hinein.
»Seht ihr«, sagte Ulrik.
Der Audi startete und fuhr an ihnen vorbei, bis zum Wendehammer am Ende von Søtoften. Kehrte zurück. Sanne blickte zu Boden. Es ließ sich nicht vermeiden, dass sie Meritons Blick auf sich spürte.
»So, niemand ist zu Schaden gekommen.« Ulrik war noch immer am Funkgerät. »Zurück zur Abel Cathrines Gade. Ihr habt noch eine lange Nacht vor euch.«
Sie hörten ein Klicken, dann war der Funkkontakt beendet.
23
»Papa, Papa, aufwachen!«
Maria beugte sich über ihn.
»Es ist schon spät. In einer Stunde sollen wir bei Oma sein.«
»Ein Traum«, flüsterte er. »Es war nur ein Traum.« Er griff nach ihr. Hielt sie fest.
»Hör auf, Papa. Das tut weh!«
Er ließ los, und Maria trat einen Schritt beiseite, setzte sich aufs Bett.
»Entschuldigung.« Er setzte sich auf und sah seine zerknitterten Sachen. Maria massierte sich den Oberarm und verzog das Gesicht.
»Habt ihr ihn?«
Er sah sie an. Was meinte sie?
»Oh. Nein, es war nur ein Alptraum. Das heißt, ja, wir haben den Verdächtigen in Haft.« Er rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Hast du die Blumen gesehen?«
Sie lachte.
»Danke, Papa. Das war lieb von dir.« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Du kratzt.« Dann stand sie auf und tanzte ins Wohnzimmer. Lars blieb zurück und blickte ihr nach. Er hatte einen Kuss bekommen. Vielleicht gab es ja doch einen Weg zurück.
»Du beeilst dich besser, wenn du noch ins Bad willst!«, rief sie aus dem Wohnzimmer. Ein Klappern war zu hören. Maria versuchte, die Tür zum Balkon zu öffnen, Verkehrslärm drang herein.
Lars zog sich aus. Als er die Dusche aufdrehte, bemerkte er, dass er vor sich hin pfiff.
»Du hast dich ja rasiert«, stellte sie fest, als er kurz darauf im Wohnzimmer stand. Angezogen und
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