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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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Seine Faust traf auf den Tisch, bevor er sich der Bewegung bewusst war. Besteck und Teller klirrten, sein Glas fiel um. Wein tropfte durch die Ritzen des Tischs auf die Schwellen. Eine lange Sekunde saßen sie wie gelähmt. Aber Lars wollte jetzt nicht aufhören, er wollte irgendetwas herausschreien, das er vermutlich bereuen würde, als Maria plötzlich am Tisch stand.
    »Ich bin heute zu einem Date eingeladen worden.«
    Irgendetwas zerplatzte über dem Tisch, Wut und Aggression wurden aufgesogen.
    Anna streckte die Hand nach ihr aus, zog sie an sich.
    »Das klingt doch großartig, mein Mädchen. Du hast es verdient, ein bisschen verwöhnt zu werden.«
    Maria küsste sie auf die Wange.
    Das also war es. Nicht das Licht, nicht er. Nicht Anna. Er zog an der Zigarette, die noch immer zwischen Zeigefinger und Mittelfinger steckte.
    »Wann?«
    »Morgen.«
    Sie sah glücklich aus, aber er musste fragen.
    »Und wer ist es?«
    »Ist das nicht egal?« Es lag ein bittender Ton in Annas Stimme. Sie schaute Maria an. »Ist er ne…«
    »Ich …«, unterbrach er, riss sich aber zusammen. Er senkte die Stimme. »Im Augenblick muss ich wissen, mit wem du zusammen bist.«
    Maria stand auf, blickte von Anna zu ihm. Fummelte an ihrer Serviette, die zusammengeknüllt unter dem Rand ihres Tellers lag. Aus dem zerbrochenen Glas tropfte der Wein.
    »Einer aus der Schule. Du kennst ihn nicht.«
    »In welche Klasse geht er denn?«
    »Er? Ich glaube, in die dreizehnte.«
    Irgendetwas schwelte, ein brennender Schmerz in der Hand, die an der Seite herunterhing.
    »Au, verflucht …« Es roch nach verbranntem Fleisch. Die vergessene Zigarette war zwischen Zeige- und Mittelfinger weiter heruntergebrannt und hatte eine Brandblase verursacht, die jetzt platzte. Er ließ die Zigarette fallen, steckte hastig die Serviette in sein Wasserglas und betupfte die verbrannte Stelle.
    »Okay, aber ihr geht nicht ins Penthouse.«
    »Papa, also wirklich. Glaubst du, da würde ich hingehen?« Maria zog eine Grimasse. Dann verschwand sie in der Küche.
    Er sah seine Mutter an.
    »Was ist?«
    Sie blickte düster auf seine Hand, schüttelte den Kopf.

Mittsommernachtsfest 2006
    Funken fliegen von den Feuern rund um den See in den hellen Nachthimmel. Stimmen klingen übers Wasser. Betrunkene Rufe, Gelächter. Der Verkehrslärm – ein schweres, unablässiges Sausen über dem Wasser.
    Jede Stadt hat ihre Hex’,
    jeder Sprengel seine Trolle.
    Und mit Freudenfeuern halten wir sie uns vom Leib …
    Er schleicht durchs Schilf, lässt alles hinter sich. Vater, hochrot im Gesicht von Schnäpsen, Rotwein und einem ganzen Tag mit Pornos; Mutter mit diesen ewigen Schatten in den Augenwinkeln, so dass man nie ganz sicher sein kann, ob sie wirklich mitbekommt, was um sie herum passiert. Der Geruch von angebrannten Rumpsteaks, Schnaps und Parfüm. Irgendjemand erzählt einen Witz, Vater lacht dröhnend. Am nächsten Tag wollen sie nach Nizza fliegen, drei Wochen ins Ferienhaus des Onkels. Wenn sie zurückkommen, geht’s in die 7. Klasse. Bald wird er sich Gedanken über die Noten und das Gymnasium machen müssen. Aber heute Nacht ist es anders, heute Nacht zieht es ihn hinaus.
    Er sieht sich um. Dann schließt sich das Schilf um ihn, und er befindet sich in einer Welt voller Schatten und einer großen Stille, in der alles offen ist. Er gleitet weiter, selbst ein Schatten, geruch- und geräuschlos.
    Er erreicht die Flößerbrücke, läuft leichtfüßig über die hellen Bretter. Das Blut pocht in den Adern. Er lässt den See hinter sich, betritt das System der Wege, die hinter die Gärten führen. Im Gebüsch ist es dunkler. Blätter reiben sich wispernd aneinander, Äste greifen nach ihm.
    Der Mond geht auf. Die scharfen Klingen der weißen Strahlen im Unterholz. Er muss die Augen mit den Händen abschirmen. Jetzt ist er fast da.
    Den Holunderbusch entlang, durch das Loch an dem großen, faulen Baumstumpf – er hat es an dem Tag gefunden, an dem er die Katze begraben wollte und der große Knochen auftauchte –, dann muss er sich gegen die morschen Bretter drücken und durch das Loch zwängen.
    Zunächst kann er nichts sehen; mit geschlossenen Augen geht er durchs Gebüsch, in der Dunkelheit tanzen grüne und rote Flecken vor seinen Augen. Doch allmählich öffnet sich der alte Garten für ihn. Eine verzauberte, chaotische Welt, ganz anders als die mit dem Lineal angelegten Gärten und Beete, die er von zu Hause, von seinen Spielkameraden und den Freunden seiner

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