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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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ergriff Sannes Handgelenk. Ihre dünnen Finger drückten mit einer überraschenden Kraft zu. »Haben die auch meine Mira umgebracht?«
    Sanne legte eine Hand auf Zoes und tätschelte sie. Löste ihren Griff.
    »Hat Mira gesagt, wann das passiert ist?«
    »Sie hat es nicht gesagt, aber ich glaube, zwischen meinem Brief und ihrem Anruf.«
    »Ihr Brief trägt den Poststempel vom 22. 4., wann hat sie angerufen?«
    Zoe Vanin schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht … vielleicht am 30.? Es war ein Freitag, daran kann ich mich erinnern. Ich hatte viel zu tun.« Ihre Augen wurden hart. Sanne versuchte, ihr Unbehagen zu unterdrücken, erhob sich. Stellte sich vor den Kalender und blätterte zurück. Der April war von einem dramatischen Foto mit den stürzenden Winkeln der Modr y kostilík, der Blauen Kirche, illustriert. Sie fand den 30. schnell. »Piatok« stand da.
    Die slowakische Polizistin folgte ihrem Finger und übersetzte mit einer flachen, tonlosen Stimme.
    »Friday.«
    Freitag, der 30., vier Tage, bevor Mira verschwand. Was hatte sie übers Wochenende und Anfang der folgenden Woche getan? Irgendwann hatten Meriton und Ukë also eines der Mädchen getötet und die Leiche beiseitegeschafft, wenn Mira die Wahrheit gesagt hatte. Das gab dem ganzen Fall zweifellos eine andere Perspektive.
    Sie setzte sich wieder Zoe gegenüber.
    »Wissen Sie, wie sie nach Dänemark gekommen ist? Wer ihr geholfen hat?«
    Zoe Vanin schüttelte den Kopf, zog die Nase hoch.
    »In der Gegend um Krizna«, sagte die Polizistin, »gibt es die meisten Straßenhuren, dort finden die Schleuser die Mädchen.«
    Sanne schaute die Frau an, die ihr gegenübersaß. Sie war viel zu jung Mutter geworden. Und nun sollte sie ihre erwachsene Tochter begraben, bevor sie selbst vierzig Jahre alt war.
    Sanne schluckte und streckte die Hand aus.
    »Vd’aka«, flüsterte Zoe und nahm ihre Hand. Ein schlaffer, resignierter Händedruck. Sie blickte nicht auf.

Donnerstag, 19. Juni

26
    »Mist, verdammter«, murmelte Lisa und warf ein weiteres Foto auf den inzwischen ziemlich großen Haufen auf dem Schreibtisch.
    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht.« Frank schob die Bilder zusammen, bis die Fotos ordentlich übereinanderlagen.
    »Ach, hör doch auf«, fauchte Lisa. Niemand reagierte.
    Von den Chemikern war am frühen Morgen die Antwort gekommen. Das Blut auf Mikkel Rasmussens Hemd war sein eigenes. Und weder das Blut noch die Haut- und Haarpartikel, die an dem Hemd gefunden wurden, passten zur DNA des Täters. Oder zu Stine Bang. Mikkel Rasmussen wurde eine knappe Viertelstunde, nachdem sie die Resultate erhalten hatten, auf freien Fuß gesetzt.
    Das Penthouse hatte weitere Fotos von dem Abend geliefert, an dem Louise Jørgensen vergewaltigt worden war. Die Fotos der beiden Abende wurden noch einmal in der Gruppe verteilt und herumgereicht. Alle sollten jedes einzelne Foto kennen.
    »Wir suchen nach einem männlichen Gast, ungefähr 1,90 Meter groß, möglicherweise blond, der an beiden Abenden dort gewesen ist.« Lars griff nach einem weiteren Stapel und ließ die Augen über den DIN -A4-großen Abzug wandern. Fröhliche Jugendliche, die posierten oder sich aufspielten. Ein Dunst von Schnaps und einem verzweifelten Hunger hing über den Fotos, und je später es geworden war, desto deutlicher kam es zum Ausdruck. Louise und Stine waren auf vielen Bildern zu sehen. Beides große, schlanke Mädchen mit langen Haaren, gekleidet auf eine Art, die nicht allzu viel verbarg.
    »Stine und Louise sehen sich tatsächlich ein bisschen ähnlich«, sagte Toke.
    Eine Weile sagte niemand ein Wort. Nur das Rascheln von Fingern, die durch Fotopapier blätterten, und schwere Atemzüge waren zu hören. Noch einmal tauschten sie die Fotos.
    »Das ist doch sinnlos.« Lisa schmiss ihren Haufen auf den Tisch. »Er muss da sein. Ich sehe ihn bloß nicht.«
    »Ich weiß, dass wir so etwas normalerweise nicht machen.« Toke schlug die Beine übereinander. »Aber ist es nicht langsam an der Zeit, dass wir das Tempo bestimmen?«
    »Was meinst du?« Lars stützte die Stirn in die Hand. Er ahnte, worauf Toke hinauswollte. Und es gefiel ihm nicht. »Du meinst einen Lockvogel?«
    Frank richtete sich auf der Fensterbank auf.
    Toke nickte. Niemand sagte etwas.
    Als Toke weiterredete, wandte er sich nur an Lars.
    »Der Kerl hat jetzt zwei Mal zugeschlagen, wir haben seine DNA . Wenn er anbeißt, haben wir ihn. Selbst der beste Verteidiger des Landes könnte ihn nicht heraushauen.«
    Lars

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