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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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musste stehen bleiben. Je älter er wurde, desto kürzer und schmerzlicher fühlte es sich an. Wieder war eine Blütezeit so gut wie vorbei. Man rannte unaufhaltsam dem Tod entgegen.
    Wie verabredet bog Lene zum Peblinge Dosseringen ab, Toke und Lars nahmen die Abkürzung um den alten Bunker. Eine Entenfamilie schaukelte am Ufer, die Schnäbel unter den Flügeln. Baggesensgade, Blågårdsgade, über den Blågårds Plads. An der Korsgade schauten sie hinauf zur massiven Turmspitze der Hellig Kors Kirke, die den Himmel zerriss. Hier in den schmalen Straßen konnten sie es sich erlauben, näher aufzurücken, ohne dass sie befürchten mussten, entdeckt zu werden.
    Sie kamen an der Blågårdskole vorbei.
    »Wenn es passiert, dann jetzt«, murmelte Toke.
    Lars nickte. Die Härchen auf seinem Arm hatten sich aufgerichtet. Rechts öffnete sich der Hans Tavsens Park und verschwand in den Schatten des Assistens Kirkegård. Es war niemand zu sehen. An der Struenseegade strömte laute Musik aus offenen Fenstern. Vereinzelt leuchteten Fensterrahmen auf. Lene, eine weiße Gestalt im Schattenmeer vor ihnen, sonst war alles schwarz. Was hörte er da? Pfiff sie?
    Es knisterte in seinem Ohrhörer.
    »Also … was war …« Die aufgeregte Stimme wurde ruhiger. »Entschuldigung, offenbar falscher Alarm. Bravo hier. Alles ruhig. Nein …«
    In diesem Moment wurden die Schatten im Hans Tavsens Park lebendig. Etwas wuchs aus dem Gras, schoss an ihnen vorbei und warf Lene zu Boden. Es klirrte metallisch, als ihr Fahrrad auf die Erde fiel.
    »Es geht los!« Lars fing an zu rennen. Die Pistole hatte er bereits in der Hand. Toke hastete hinterher. Die umliegenden Straßen hallten von rennenden Stiefeln wider. Alle waren unterwegs. Vor ihm rollten Lene und der Angreifer über den Boden, kamen wieder auf die Beine. Der Schatten schlug nach Lene, doch sie bekam seine Kleidung zu fassen, zog ihn an sich, trat ihm den Fuß in den Bauch und stieß ihn zurück. Rollte im Fallen ab und war sofort wieder auf den Füßen. Der Täter griff wieder an, holte aus, traf sie an der Schläfe. Lene taumelte zurück, fiel neben einer Bank zu Boden.
    »Stehen bleiben! Polizei!«, schrie Lars. Er war knapp dreißig Meter von ihnen entfernt.
    Erst jetzt bemerkte der Angreifer, dass er nicht allein war. Allerdings geriet er nicht in Panik. Er blickte hinüber zu Lars, es schien Sekunden zu dauern, dann rannte er in Richtung Friedhof. Lars fluchte, versuchte schneller zu laufen. Lenes Hand tastete sich zur Bank, fiel schlapp herab. Sie murmelte irgendetwas. Eine dünne Blutspur zog sich von der Schläfe die Wange hinunter.
    »Ruft einen Krankenwagen!«, schrie er Toke zu. Dann war er an ihr vorbei.
    Der Schatten hatte den Zaun um den Friedhof bereits erreicht. Er sprang auf das großmaschige Netz und schwang die Beine hinüber. Ein kleiner Aufprall durchbrach die Stille, als er auf der anderen Seite landete.
    An nichts anderes denken. Toke musste sich um die Hunde kümmern. Dann stand er am Zaun. Er nahm drei rasche Schritte Anlauf und hatte es zur Hälfte geschafft. Er wollte es dem Angreifer nachmachen, doch durch sein Tempo bekam er Übergewicht und rutschte den Zaun kopfüber hinunter. Er versuchte sich mit den Händen abzustützen und landete mit der Hüfte am Boden. Ein stechender Schmerz breitete sich in Beinen und Rumpf aus. Die Dienstwaffe flog ihm aus der Hand, rutschte über den Weg. Er war eindeutig nicht mehr der Jüngste. Lars zwang sich aufzustehen, er stürzte sich auf seine Pistole, rollte herum und kniete mit erhobener Waffe auf dem Boden.
    Es war ganz still. Kein Laut, keine Bewegung. Dann kamen die Stimmen aus dem Hans Tavsens Park, das Geschrei über Funk, das erste Hundegebell. Er versuchte, den Lärm und das Geschrei der Kollegen auszublenden und sich auf den Friedhof zu konzentrieren. Dort. Ein Busch bewegte sich. Er ging darauf zu, noch immer mit der Pistole im Anschlag. Dann hörte er Schritte, die sich in Richtung Nørrebrogade entfernten. Lars verließ den Weg und rannte zwischen die Gräber, wo das weiche Gras seine Schritte dämpfte. Das Geräusch des Laufenden vor ihm wurde jetzt langsamer, er war müde. Lars horchte nach keuchenden Atemzügen und spähte nach vorn, aber es war schwer, die Silhouetten zu unterscheiden. Die Schatten waren lebendig hier. Tote Dinge mit fließenden, schwankenden Bewegungen. Eine Welt unter Wasser. Unmöglich, etwas zu fixieren …
    Been dazed and confused for so long it’s not true …
    Tagsüber

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