Blutwind
Mineralwasserkästen stapelten sich direkt vor der Tür, drei große Müllcontainer standen an einer niedrigen Mauer. Das von den alten Mauern gedämpfte Geräusch der Diskothek ließ die Sommernacht zittern. Lars nahm Mikkel unter den Arm und zog ihn fast durch das Tor. Um die Ecke parkte eine Zivilstreife in der Vestergade am Gammeltorv. Dort hatte auch er oft gesessen, damals in den Achtzigern. Lars versuchte, nicht an die Vergangenheit zu denken, öffnete die hintere Wagentür und schob Mikkel hinein.
»Haltet ihr ihn fest, bis ich Bescheid gebe?«
Der Beamte auf dem Beifahrersitz sah Mikkel mit desinteressiertem Blick an. Dann gab er Lars mit dem Daumen ein Okay.
»Danke.«
Er warf die Wagentür zu und ging zurück zum Penthouse und zu seinem Platz an der Bar.
»Das war knapp, er hätte alles platzen lassen können!«, schrie ihm Toke ins Ohr. Nach dem kurzen Aufenthalt im Freien wirkte der Lärm noch infernalischer.
»Hat irgendjemand etwas bemerkt?«
»Niemand hat den Laden verlassen. Ich habe es bei den Kollegen an der Tür überprüft.«
Lars nippte an seiner Cola. Sie schmeckte bereits abgestanden.
»Dann warten wir.«
Lene ging zur Toilette. Lars sah auf die Uhr. Es war inzwischen 02:25 Uhr. Um diese Zeit hatten Stine Bang und Louise Jørgensen die Diskothek verlassen. Er nickte Toke zu, der sich zwischen Bar und Ausgang platzierte. Die Tür der Damentoilette ging auf, Lene kam heraus. Sie sah hinüber in seine Ecke, warf ihm ein rasches Lächeln zu. Dann zwängte sie sich durch die Schlange an der Bar zur Garderobe.
Er gab ihr anderthalb Minuten Vorsprung, bevor er ihr folgte. Die Bar entlang, die Treppe hoch. Sie stand nicht in der Schlange vor der Garderobe. Toke konnte er ebenfalls nicht sehen. Draußen entdeckte er Lene auf der Nørregade. Sie ging an der Vor Frue Kirke vorbei und schob ein altes Damenfahrrad.
»Sie soll nicht so schnell gehen«, flüsterte Toke ihm ins Ohr. »Der Kerl soll die Chance haben, ihr folgen zu können.«
»Er wird schon mitkommen.« Lars trat ein paar Schritte beiseite, weg von der Menschenmenge vor dem Eingang der Diskothek. Die Luft tat ihm gut. Sie schlenderten die Nørregade entlang, zwei Kollegen auf dem Heimweg aus der Stadt, beiläufig schauten sie in die Schaufenster von Notre Dame und Vester Kopi.
»So, jetzt lässt sie es ruhiger angehen.« Toke ließ sie nicht aus den Augen.
»Entspann dich. Wir sind nicht die Einzigen, die sie beobachten. Kannst du unsere Leute irgendwo sehen?« Lars steckte die Hand in die Jackentasche und setzte sich den kleinen Ohrhörer ein. Funklärm, gedämpfte Stimmen im Gehörgang. Sie hatten Kontakt. Toke zog ein Päckchen aus der Tasche, die er aus der Garderobe geholt hatte, gab es Lars. Er überprüfte das Magazin seiner Dienstwaffe, einer Heckler & Koch USB Compact, und steckte die Pistole in den Hosenbund. Als er die Kälte des Stahls durch das dünne Hemd spürte, schauderte er.
»Hier sind wir die Einzigen, dann kommen die Kollegen an der Krystalgade. Sie kommt jetzt an ihnen vorbei.« Toke behielt sie genau im Blick. »Nanu, wer ist das denn?«
Eine Gestalt ging schwankend an dem alten KTAS -Gebäude gegenüber vom St. Petri Hotel vorbei und kam auf sie zu.
»Nur irgendwer auf dem Weg in die Stadt. Er kommt vom Nørreport. Du sollst nach jemandem Ausschau halten, der ihr folgt.« Lars klopfte ihm auf die Schulter. Toke kicherte und starrte dem Betrunkenen nach, der in seligem Dusel an ihnen vorüberrauschte.
Lars drehte sich um. Niemand folgte ihnen. Die Meldungen der verschiedenen Posten erreichten sie. Nørreport, alles ruhig. Farimagsgade, nichts zu berichten. Dronning Louises Bro, leer.
Sie gingen weiter durch die Stadt. Die Nørregade wurde vor dem 7-Eleven am Nørreport zu einem Lichtermeer. Lene hatte den Fona-Laden auf der anderen Seite bereits hinter sich gelassen und bog jetzt in die Frederiksborggade ein. Toke und er fingen an zu laufen. Bei Rot über den Fußgängerüberweg an der Fiolstræde, durch das Baugewirr an der Nørreport Station und den durchdringenden Pissegestank, dann waren sie ebenfalls auf der Frederiksborggade. Hier waren mehr Leute unterwegs. Einzelne Personen oder Paare auf dem Weg nach Hause. An der Dronning Louises Bro schwarze Wasserflächen, in denen sich die Leuchtreklame der Supermarktkette Irma spiegelte. Der Asphalt auf der Brücke glänzte orangegelb in der Straßenbeleuchtung. Über Østerbro der permanente Schein am Himmel. Die hellen Nächte. Es war so schön, Lars
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