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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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sich Bint über Lenes Fahrrad. Ein Techniker, dessen Namen er nicht kannte, untersuchte es auf Fingerabdrücke.
    »Was sagt Bint?«
    Toke folgte seinem Blick.
    »Sieht nicht so aus, als gäbe es Fingerabdrücke. Ein bisschen Spucke, aber die kann auch von Lene stammen … oder einem Dritten. Außerdem haben sie einen Totschläger gefunden. Damit muss er wohl zugeschlagen haben. Bint sagt, es sei reines Glück, dass er ihr nicht den Schädel zertrümmert hat.«
    Lars zog den letzten Rest seiner Zigarette in die Lunge, warf die glühende Kippe auf die Erde und drückte sie mit der Schuhspitze aus. Er war erschöpft.
    »Schaffst du das hier allein?« Er stand auf und zog die Decke von der Schulter. »Ich muss …« Er klopfte Toke auf die Schulter und verließ ihn. Grätschte über die Polizeiabsperrung und ging die Hans Tavsens Gade hinunter, vorbei an den wartenden Presseleuten. Ein, zwei Fotografen feuerten ihre Blitze auf ihn ab. Irgendjemand stellte eine Frage, er hörte nicht hin.
    »Hier«, antwortete er und drückte dem Mann einen halbleeren Kaffeebecher in die Hand. Dann ging er weiter in Richtung Jagtvej. Niemand folgte ihm.
    Seit er vor einer halben Stunde das letzte Mal hier gestanden hatte, hatte sich die Straße nicht verändert. Autoscheinwerfer, Regenpfützen, Pizzerien, Kneipen. Keine Fußgänger. Langsam ging er zur Nørrebrogade, sah sich die Stelle an, wo der Kerl über die Mauer gesprungen war. Es gab viel zu viele Straßen, durch die er hätte entkommen können. Einfahrten und Höfe. Oder zurück auf den Friedhof? Es war sinnlos. Lars ging weiter zum Nørrebros Runddel, wieder gingen ihm die offenen Fragen durch den Kopf. Der Kerl hatte gewusst, dass es eine Falle war. Im Grunde gab es keine andere Erklärung. Vor Wut schlug er mit der Faust gegen die Friedhofsmauer und biss die Zähne zusammen, als die Schmerzen ihm den Atem nahmen. Er stopfte die schmerzende Hand tief in die Jackentasche und lief schneller. Er hätte die Aktion abbrechen müssen, er hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen. Er hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl gehabt.
    Jetzt wusste der Täter, dass die Polizei sich darüber im Klaren war, wie er seine Opfer fand. Lene lag im Krankenhaus, und die Ermittlungen konnte man vergessen.
    Auf der Nørrebrogade herrschte mehr Betrieb; Busse voller Menschen auf dem Weg nach Hause, außerdem öffneten bereits die ersten Morgenkneipen. Lars wollte einfach nur nach Hause. An der Stefanskirke hielt er ein Taxi an. Der Fahrer musterte ihn mit verärgertem Blick, als er sich, nass, wie er war, auf den Rücksitz setzte. Er sagte jedoch nichts und fuhr die Nørrebrogade hinunter, ohne an dem abgesperrten Stück an der Nørrebrohalle langsamer zu werden. Lars war zu müde, um zu protestieren.
    Er kroch die Treppe beinahe hinauf, schloss auf. Warf das nasse Zeug in den Flur, ging ins Badezimmer und drehte die Dusche auf. Mehrere Minuten ließ er kochend heißes Wasser über sich laufen. Er hatte Kopfschmerzen und putzte sich in dem heißen Wasser unter der Dusche die Zähne, band sich ein Handtuch um und trat in den Flur.
    Irgendetwas knarrte in Marias Zimmer. Und knirschte. Rhythmisch, gleichmäßig. Als wenn zwei Körper …
    Lars wollte nach der Klinke greifen, die Tür aufreißen. Doch als er die Hand ausstreckte, hörte er sie stöhnen. Seine Hand sank herab. Er hatte kein Recht dazu. Kein Recht, sich einzumischen. Seine Hand öffnete und schloss sich. Dann schlich er davon, in sein Schlafzimmer. Nur fand er keine Ruhe, keinen Schlaf. Nicht in dieser Nacht, nicht mit Maria und Wie-auch-immer-er-heißen-mochte nebenan. Er hob den Kopf und sah sein Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe. Ein ausgebrannter Mann mittleren Alters, die Haut grau und schlaff, Tränensäcke unter den Augen. Kratzer an Nase und Stirn. Er lehnte die Stirn an die Scheibe. Es blieb nur die Arbeit.
    Er zog sich an und schlich ins Wohnzimmer. Nahm The Tempest aus dem Bücherregal, schlug es an der bekannten Stelle auf. Er ertastete die Geheimtasche an dem knallroten gestrickten Lesezeichen und zog das kleine quadratische Briefchen heraus, öffnete es. Dann schüttete er den Inhalt auf die Tischplatte, formte das weiße Pulver mit seiner Kreditkarte zu einer mehrere Zentimeter langen Linie und rollte einen Zweihundertkronenschein zusammen. Steckte ein Ende in sein rechtes Nasenloch und fuhr, den Zeigefinger aufs linke Nasenloch gepresst, die Linie entlang, zog das Pulver hoch. Es brannte an Nasenwurzel und

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