Blutwind
Sie schluckte, lächelte ihn an. So dass er im Dunkeln das Weiße in ihren Augen und die Zähne sehen konnte.
Dann füllte sie den Mund mit Spucke, beugte sich über den Schaltknüppel und nahm den schlaffen, runzligen Schwanz in den Mund.
Er murmelte etwas, das genauso klang wie das Murmeln aller anderen Menschen hier. Sie ging davon aus, dass es sich um Dänisch handelte, es klang jedenfalls blöd. Sie erstarrte, als er anfing, ihr übers Haar zu streichen, während er in ihrem Mund langsam steif wurde. Hoffentlich hörte er auf. Wer sie anfasste, presste ihr gewöhnlich den Kopf ganz auf den Schwanz, so dass sie beinahe erstickte. Sie war es gewohnt, sie hielt es aus. Aber nicht diese Art von Anfassen. Es erschreckte sie. Sie saugte die Wangen ein, bewegte den Kopf schneller, auf und ab. Ließ die Zunge um die Eichel kreisen. Komm schon. Werd fertig.
Seine Hand hörte auf, ihr Haar zu streicheln. Irgendetwas tat sich an der Windschutzscheibe. Jetzt kam die Hand zurück, ein Finger streichelte über ihr rechtes Augenlid. Sie schauderte.
Etwas Feuchtes, Festes presste sich auf ihre Nase, sie wurde an den Haaren hochgezogen. Dann zwang er ihr das Feuchte, Feste auf den Mund, und die Welt löste sich auf.
Abeiuwa erwachte, schwindlig, benommen. Sie ahnte nicht, wo sie war oder wie viel Zeit vergangen war. Sie saß auf einem Fußboden, fühlte dort, wo der kurze Rock sie nicht bedeckte, unverputzten Beton an den nackten Hinterbacken. Kalt. Feucht. Die Hände hatte man ihr auf den Rücken gebunden. Vorsichtig öffnete sie erst das rechte Auge, dann das linke.
Zerfließende Formen, Schatten im Zwielicht. Hoch oben sickerte ein wenig Licht durch eine Öffnung. Die Formen sammelten sich zu Schatten, zu sitzenden Körpern. Einer auf einem Stuhl, der andere auf einem Sofa vor einem ausgeschalteten Fernseher. Sie saßen ganz still, regten sich nicht. Der eine mit dem Kopf auf der Brust, der Kopf des anderen lehnte am Rückenpolster des Sofas.
»Help« , flüsterte sie. Keiner der beiden reagierte.
»Help me« , versuchte sie es noch einmal, diesmal lauter. Aber noch immer rührte sich keiner von ihnen.
Unter den Augenlidern sah sie die beiden lange an. Sie bewegten sich nicht, kein Zucken, kein Zittern in den Armen. Sie versuchte den Kopf zu heben, um mehr von dem Raum zu sehen, allerdings war sie viel zu schwach. Die kleine Bewegung verursachte eine Welle der Übelkeit, sie übergab sich dort, wo sie saß. Es floss zwischen ihre Beine auf den Betonboden. Angst überkam sie.
»Nana Buluku« , flüsterte sie. »Mawu et Lisa.« Die stummen Gestalten reagierten nicht. »Aidez-moi« , fuhr sie fort, diesmal noch ein wenig lauter. Noch immer keine Reaktion, keine Antwort.
»Aidez-moi!« , schrie sie. Es dröhnte zwischen den Betonwänden.
Kurz darauf hörte sie Schritte von oben. Das kreischende Geräusch von Metall an Metall; scharfes Licht zwang sie, die Augen zu schließen. Etwas knarrte, näherte sich. Jemand war auf dem Weg nach unten, eine Treppe? Schwer, langsam. Wieder öffnete sie die Augen, blinzelte, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatte. Und schrie.
Die beiden Gestalten. Nackte, weiße Frauen. Ihre Haut – eine seltsam gelbliche Farbe, wie das Bienenwachs, das sie aus dem Dorf ihres Onkels kannte. Aber sie schrie nicht wegen dieser unnatürlichen Farbe und auch nicht, weil sie sich nicht rührten.
Es waren ihre Augen. Kalt und gerade stierten sie in die Luft, starr, glasartig. Wie Puppenaugen. Eines grün, das andere graublau. Tote Gesichter. Wie bei den Vodun, von denen ihr Großvater erzählt hatte.
»Nana Buluku« , flüsterte sie wieder. »Mawu et Lisa. Aidez-moi, aidez-moi.« Wieder und wieder, ihr Oberkörper schaukelte vor und zurück.
Eine Gestalt kam ganz oben aus einer kleinen Tür unter dem Dach. Ein gedrungener älterer Mann ging summend die steile Treppe hinunter, Stufe um Stufe. Behielt sie im Auge. Wieder schrie sie, doch der Mann stieg weiter herab, trat lächelnd an ein Regal und drehte ihr den Rücken zu. Er bewegte die Arme, nahm etwas aus dem Regal, stellte einen Apparat an. Musik schwoll aus verborgenen Lautsprechern. Eigenartige, langsame, unheimliche Musik. Eine Frau sang Worte, die sie nicht kannte. Dann kam die Gestalt zu ihr, sie hielt etwas in den Händen, löschte das Licht.
»Sucky, sucky?« , flüsterte sie.
Der Mann antwortete nicht, behielt bloß sein Lächeln bei. Wieder umgab sie dieser beißende chemische Geruch, sie konnte nicht verhindern, dass er das, was er
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