Blutwind
in den Händen hielt, auf ihren Mund presste. Es brannte in den Augen. Der Raum, der Mann und die beiden Vodun-Gestalten verschwanden in der Dunkelheit.
Wieder erwachte sie, die groben Holzregale, die Decke hoch über ihr, alles verschwamm. Sie erinnerte sich an das Bild der beiden nackten Frauen. Abeiuwa öffnete den Mund, um zu schreien, aber sie brachte keinen Laut heraus. Sie konnte nicht sprechen. Er hatte ihr etwas in den Mund gestopft. Sie versuchte es auszuspucken, aber ein Knoten im Nacken hielt es fest.
Sie lag auf dem Rücken auf einem Tisch. Der chemische Geruch war durchdringend, überall. Es war kalt. Sie war nackt. Etwas saß auf ihrem rechten Auge. Über ihr konnte sie ihn murmeln hören, er summte vergnügt vor sich hin. Die Musik war jetzt sehr laut. Sie versuchte, die Augen zu öffnen, konnte aber nur mit dem linken sehen. Etwas presste auf das andere Auge, drückte es nach innen.
Sie konnte weder ihre Arme noch ihre Beine bewegen. In ihrem Auge begann es zu ziehen, der Schmerz strahlte vom Kopf bis in die Füße. Weiches Gewebe wurde herausgerissen, wie eines der Fischaugen, mit denen sie als Kind spielen durfte. Der Schmerz, ein brennendes Feuer im Kopf. Sie spannte den Körper an, drückte den Rücken in einem Bogen durch. Der Mann über ihr summte weiter zu der eigenartigen Musik, sagte aber nichts. Und dann, als ein weiches Ploppen ertönte und der Schmerz für einen Augenblick verschwand, aber nur, um sofort umso heftiger zurückzukehren, rutschte ihre rechte Hand aus einem der Riemen, mit denen sie gefesselt war. Ihre Finger tasteten über eine raue Fläche, berührten etwas. Es fiel, klirrte. Abeiuwas Hand schloss sich um eine Flasche, sie schlug zu. Nach oben, nach rechts, mit aller Kraft. Sie traf. Das leise Summen verstummte. Etwas Großes und Schweres fiel zu Boden. Durch den Schmerz in ihrem Auge drehte sich alles.
Halb wahnsinnig vor Schmerzen griff sie auf die andere Seite des Tischs und fummelte an dem Gurt ihrer rechten Hand, dann an den Fußfesseln. Sekunden später war sie frei und versuchte, sich aufzurichten. Sie stöhnte. Ein Stechen im Auge, als sie sich aufsetzte. Sie versuchte, sich zu orientieren. Im Fall hatte er einen niedrigen Tisch mitgerissen, Instrumente und Flaschen voller Flüssigkeiten lagen über den Boden verstreut. Aus dem linken Augenwinkel entdeckte sie hinter ihm den Treppenabsatz. Hastig trat sie über den am Boden liegenden Mann, lief die zwei Schritte zur Treppe. Als sie den Fuß auf die erste Stufe setzte, packte eine Hand ihren Knöchel. Sie trat nach hinten, traf. Er ließ los, und sie taumelte die steile Treppe hinauf. Schwere Schritte hinter ihr. Sie zwängte sich durch die kleine Tür und warf sie hinter sich zu, ihrem Verfolger an den Kopf. Sie ließ sich auf den Boden fallen. Verzweifelt versuchte sie sich zu orientieren, noch ein dunkler Raum, noch eine Treppe. Sie kroch auf allen vieren, hörte die Tür hinter sich kreischen. Er war ihr unmittelbar auf den Fersen, scharrte auf dem Boden. Seine Hand streifte eine ihrer Fersen, bevor sie den Fuß an sich ziehen konnte. Stöhnend schleppte sie sich die Treppe hoch, durch die nächste Tür. Auf der anderen Seite stand eine kleine Kommode. Halbblind zog sie das Möbelstück an die Türöffnung und stieß es die Treppe hinunter. Von unten hörte sie einen Fluch und den Aufprall von etwas Schwerem. Die Treppe knarrte. Sie taumelte einen Gang entlang. Eine Tür. Nach draußen? Sie kam in ein Zimmer, Fenster an allen Seiten, sie tastete sich die Wände und Fensterrahmen entlang. Das zweite Fenster war nur mit dem unteren Fensterhaken verschlossen. Keuchend und mit hektischen Fingern öffnete sie den Haken, während sie auf Schritte achtete, auf knarrende Dielen hinter sich. Das Fenster sprang auf, und sie stürzte sich kopfüber in die nächtliche Kälte, überschlug sich auf einem sanften Hügel, fiel mit dem Rücken gegen etwas Metallisches und kam auf die Beine.
Hoch oben brannte es, ein Lichtermeer in der hellen Nacht schmerzte in ihrem linken Auge. Das rechte hing an ihrer Wange. Sie drehte sich um und blickte zurück auf das Haus und die bleiche Silhouette eines Vodun am offenen Fenster.
Sie stieß einen langgezogenen Schrei aus und rannte ins nächste Gebüsch, zwängte sich durch und lief fort.
Freitag, 20. Juni
31
Der Wachhabende rief um 03:37 Uhr an. Martin tobte und knallte das Telefon an die Wand. Sanne war kaum in der Lage, es zu erklären. Sie entschuldigte sich und behauptete, ihr
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