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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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gesessen.
    »Und dann saßen da noch zwei Tote im Stuhl und auf dem Sofa«, übersetzte Samuel und runzelte die Augenbrauen, als ob er sich das nicht recht vorstellen konnte. »Sie hatten tote Augen.« Samuel wies auf seine Augen. Abeiuwa zuckte im Bett zusammen, zog die Bettdecke über die Augen.
    »Botono«, flüsterte sie zu Tode erschrocken. Sanne versuchte, sie mit einem Lächeln zu beruhigen.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Botono. Das ist Vodun.«
    Sanne blickte auf.
    »Vodun? Was ist das?«
    »Ihr nennt es Voodoo, aber korrekt heißt es Vodun. Vodun ist eine alte Religion bei uns. Im Vodun gibt es einen Schöpfer, Nana Buluku, und viele Geister, gute und schlechte, die wir Vodun nennen. Und Hexen, Botono. Sie rufen die bösen Geister. Sie sagt, die Toten waren Botono beziehungsweise der, der sie gefangen gehalten hat, war ein Botono, er hat die Toten herbeigerufen. So sind böse Vodun.«
    Sanne nickte, als hätte sie verstanden.
    »Und was ist dann passiert?«
    »Dieser Botono hat sie noch einmal betäubt. Als sie erwachte, wollte er ihr gerade das Auge herausnehmen. Sie hat sich befreit, irgendwie … ich verstehe es nicht ganz.« Samuel zuckte die Achseln, wohl um zu zeigen, dass es ihm leidtat. »Sie kam auf die Straße. Die Lichter taten ihr in den Augen weh – dem Auge. Sie hielt sie auch für böse Vodun, deshalb ist sie in die andere Richtung gelaufen. Sie kam an einen See. Und stand plötzlich an einer Straße, als ein Krankenwagen kam.«
    »Kann sie etwas zu dem Haus sagen? Wie sah es aus?«
    Aber Abeiuwa konnte sich an nichts erinnern. Sie hatte nur so weit wie möglich fortlaufen wollen.
    »Könnten Sie noch einen Moment bleiben?«, fragte Sanne den Dolmetscher. »Die Ärzte würden sicher auch gern mit ihr sprechen.«
    Samuel schaute auf die Uhr.
    »Ich kann noch eine Stunde bleiben, dann muss ich zur Arbeit.«
    Sanne nickte und lächelte Abeiuwa zu, die noch immer die Bettdecke über den unteren Teil ihres Gesichts gezogen hatte.
    »Danke. Ich rede mit den Ärzten. Kann ich Ihre Nummer haben, falls noch etwas ist?«
    Samuel schrieb seine Handynummer auf ein altes Busticket und setzte sich neben Abeiuwas Bett. Sanne ging auf den Flur und fragte nach dem behandelnden Arzt.
    Während eine Krankenschwester den Arzt suchte, fand Sanne einen Wasserhahn und füllte einen Plastikbecher. Sie spürte die Müdigkeit, die Schwere im Kopf, den Schlaf in den Augen. Sie trank und ließ die Augen über eine Reihe von Porträts an der Wand über dem Wasserhahn schweifen. Das war doch Professor Lau? Sie las den Text des kleinen Pappschilds neben dem Foto: Professor Lau, seit 1978 Leiter der Augenabteilung des Gentofte Hospital . Auf dem Foto war er jünger, schlanker. Die Hände, die er im Schoß gefaltet hielt, wirkten beinahe feminin. Sie dachte an die fleischigen Pranken und das Glasauge, das zwischen seinen Fingern beinahe verschwunden war.
    »Ah«, hörte sie hinter sich. »Wie ich sehe, haben Sie Professor Koes schon begrüßt?«
    Sanne vermied es gerade noch, den jüngeren Arzt mit Wasser zu bespritzen, als sie sich umdrehte. Er war groß und trug eine Hornbrille. Sein kräftiges braunes Haar war zu einem Seitenscheitel gekämmt. Seine Haltung wirkte leicht arrogant.
    »Koes?«
    Der Arzt nickte dem Foto neben Professor Lau zu. Ein älterer Mann mit schwarzen, in die Stirn gekämmten Haaren, die Ohren ausrasiert. Buschige Augenbrauen und ein imponierender Schnurrbart.
    »Koes hat die Augenabteilung in den dreißiger Jahren gegründet.«
    »Nein, ich habe mir das Foto daneben angesehen, Professor Lau. Ich habe ihn letzten Samstag kennengelernt.« Sie räusperte sich. »Sie haben Abeiuwa nach ihrer Einlieferung versorgt?«
    Der Arzt nickte, steckte eine Hand in die Kitteltasche.
    »Irgendjemand hat vor nicht allzu vielen Stunden eine sehr sorgfältige Enucleatio bulbi an ihr vorgenommen.«
    »Was heißt das genau?«
    Der Arzt sah sie über seine Hornbrille hinweg an.
    »Eine Enucleatio bulbi ist einfach ausgedrückt die Entfernung des Augapfels. Man schneidet die Muskeln durch, die das Auge in die Lage versetzen, sich zu bewegen. Lateral rectus, inferior rectus …«
    Sanne hob die Hand.
    »Danke. Sehr schön. Man schneidet also die Muskeln durch …?«
    Der Arzt seufzte.
    »Es sind vier. Danach hängt der Augapfel nur noch am Superior oblique und dem Nervus opticus.«
    »Dem Sehnerv. Aber von denen war keiner durchgeschnitten?«
    »Nein. Wenn wir davon ausgehen, dass geplant war, das gesamte Auge zu

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