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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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ihn.
    »Wo waren Sie in der Nacht zum Freitag?«
    »Sehen Sie, um diese Frage zu beantworten, benötige ich weder meine Sekretärin noch meinen Kalender. Aber aus reiner Neugierde: Warum fragen Sie das gerade mich?«
    »Ein Zeuge hat gesehen, wie diese Afrikanerin in Vesterbro in das Auto Ihrer Frau gestiegen ist.«
    Mathias Langhoff lächelte. Breit.
    »Das bezweifele ich aber sehr. Vorgestern war ich bei einer Konferenz der Landesvereinigung der Gemeinden in Fredericia. Es wurde spät. Ich habe im Hotel Kronprinds Frederik übernachtet und bin erst gestern Abend nach Hause gekommen.«
    Sanne räusperte sich.
    »Aber der Wagen Ihrer Frau …«
    »Weder der Wagen meiner Frau noch ich waren gestern Nacht in Vesterbro. Ich bin nämlich mit dem Wagen meiner Frau nach Fredericia gefahren. Ich bin sicher, dass die Storebælt-Fährgesellschaft ein Foto sowohl der Hin- wie auch der Rückfahrt beschaffen kann. Mit der Autonummer und meinem Porträt. Sie können sich auch gern die Hotelquittung ansehen.«
    Sanne wurde abwechselnd heiß und kalt. Wo sollte sie hinsehen? Jedenfalls nicht zu Ulrik. Er stand neben ihr und kochte.
    »Das … das war wohl alles, Herr Langhoff. Es tut mir sehr leid, dass wir Sie gestört haben. Einen schönen Tag noch.«
    Mathias Langhoff öffnete ihnen die Tür.
    »Es muss Ihnen nicht leidtun. Es war … unterhaltsam. Übrigens, wegen diesem Mädchen, das Sie zu Beginn erwähnten …«
    Sanne blieb stehen.
    »Ich finde, Sie sollten wissen, dass ich an diesem Abend nicht allein war. Meine Frau war ebenfalls dabei.«
    Sanne hämmerte die Stirn aufs Lenkrad, als sie wieder im Auto saßen. Ulrik hatte bisher kein Wort gesagt.
    »Was war denn los da drinnen?« Allan blickte von Sanne zu Ulrik.
    »Sanne wurde gerade eine wertvolle Lektion erteilt.« Ulrik saß mit durchgedrücktem Rücken auf dem Rücksitz. »Können wir fahren?«

38
    Feierabend. Friede. Keine säuerlichen Gesichter mehr, wie er sie auf dem Präsidium zu sehen bekam. Eigentlich konnte er sich nur auf Toke – ja, und Sanne – verlassen. Er spießte die letzten Tortellini auf die Gabel, steckte sie in den Mund und ließ die Backenzähne arbeiten. Die Tortellini hatten schon unglaublich wenig mit Italien zu tun, aber der Schinken noch weniger. Er kaute, hob das Glas. Zumindest der Ripasso kam aus Valpolicella.
    Lars schaltete den Fernseher ein. Die Abendschau, gefolgt von einer Verbraucherberatung. Ein Wohlfühlbeitrag nach dem anderen, abgelöst durch so zwingende Notwendigkeiten wie Informationen über Bewegung im Alter, Sparen im Supermarkt und einen tiefschürfenden Bericht über den Preisunterschied bei Plastiktüten. Was hatte Anna immer gesagt? Das Fernsehen ist der Blinddarm der Gesellschaft, der nutzlose Teil eines Systems, dessen einzige Funktion es ist, Scheiße freizusetzen.
    Der Patient kratzte vielleicht nicht sofort ab, aber er hatte ganz sicher eine Entzündung.
    Er goss sich noch ein Glas Wein ein und schaltete den Fernseher wieder ab. Hockte sich vor die alten Kästen auf dem Boden. Fing an, seine LP s durchzusuchen. Es gab nur eine Medizin, die ihm bei diesem melancholischen Zustand helfen konnte. Laute Musik von der alten Art, bei der Maria den Kopf schüttelte und meinte, er sei hoffnungslos verloren.
    Sie hatte ihm eine SMS geschickt. Sie wollte sich mit ihrem Freund in der Stadt treffen, er sollte nicht mit dem Essen auf sie warten. Der Abend lag vor ihm, unendlich lang und einsam.
    Er war bis Lou Reed gekommen, Transformer . Perfect Day war jetzt bestimmt der richtige Soundtrack für ihn. Er zögerte und entschied sich dann für die Einspielung, die direkt dahinter stand, Sad Songs . Zog eine zerknüllte Schachtel Blå King’s aus der Hosentasche, zündete sich eine Zigarette an. Hielt den Kopf leicht schräg, um keinen Rauch in die Augen zu bekommen, als er die Platte aus der Hülle zog und vorsichtig auflegte. Nadel in die Rille, zurücklehnen, Asche auf den Teller. Die ersten Bass-Töne, Mick Ronson am Klavier. Und dann diese Stimme. Wenn es nicht so banal wäre, würde er eine Gänsehaut bekommen.
    Es klingelte an der Tür.
    So laut hatte er doch gar nicht aufgedreht? Er klopfte die Asche von der Zigarette, ging in den Flur und öffnete.
    Draußen stand ein junger, gut angezogener Mann mit einem großen Blumenstrauß im Arm. Auf dem Kopf trug er eine Studentenmütze.
    »Einen schönen guten Abend. Ist Maria zu Hause?« Einen schönen guten Abend? Gab es tatsächlich noch Menschen, die so etwas sagten?

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