Blutwind
gestern erzählt hat.«
»Das ist viel zu vage.«
»Aber nehmen wir mal an, dass ihre Erinnerung korrekt ist?«
»Weißt du eigentlich, wie viele Autonummern mit 56 oder 59 enden? Und selbst wenn es ein C oder G war, was sie gesehen hat …« Er schlug mit der flachen Hand auf den Aktenschrank. »Ich brauche jetzt einen Kaffee. Was ist mit dir?«
Sanne rief das Zentralregister für Motorfahrzeuge auf.
»Komm.« Sie winkte ihn zu sich. »Abeiuwa wurde am Brogårdsvej gefunden. Wenn wir nun die Suche auf Gentofte begrenzen … wie lautet die Postleitzahl?«
»2820.« Allan stellte sich hinter sie.
Sie tippte Zahlen und Buchstaben, gab die Postleitzahl ein. Schweigend sahen sie zu, wie der Computer das System durchsuchte.
Nichts.
»Versuch’s mit 59.« Plötzlich war Allan doch mit Feuereifer dabei, und das übertrug sich auf sie. Sie ersetzte im Suchfeld 56 durch 59 und drückte die Enter-Taste.
Eine Liste von Autokennzeichen erschien auf dem Bildschirm. Eine fiel auf. Margit Langhoff, Søtoften 16.
»Das Schwein«, flüsterte Sanne. »Er benutzt das Auto seiner Frau, um Nutten aufzugabeln.«
»Das ist aber eine ziemlich delikate Angelegenheit.« Ulrik saß auf dem Rücksitz und blickte auf den Lyngbyvej, auf dem der Samstagsverkehr träge an ihnen vorbeifloss.
»Sollen wir umdrehen?« Sanne suchte seinen Blick im Rückspiegel. Kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Oberlippe. Ganz offensichtlich gefiel ihm die Situation überhaupt nicht. Trotzdem hatte er darauf bestanden mitzukommen. Der Polizist in ihm hatte gewonnen.
»Nein.« Ulrik zog das Wort in die Länge. »Nein, es ist richtig, die Sache zu untersuchen. Wir müssen nur aufpassen.«
Sanne blinkte am Brogårdsvej, bog ab und gab Gas.
»Entschuldigen Sie, dass wir an einem freien Tag stören, Frau Langhoff.« Ulrik lächelte und zeigte seine Marke. »Aber wir haben ein paar Fragen und hoffen, dass Sie und Ihr Mann uns dabei helfen können.«
Margit Langhoff, eine magersüchtige Frau um die fünfzig. Das lange Haar stumpf geworden durch zu häufiges Bleichen. Sie ging offensichtlich regelmäßig ins Solarium. Das Gesicht faltig, dunkle Ränder unter den Augen.
»Wir essen gerade zu Mittag.« Sie ging voraus in die Küche, von dort auf die Terrasse. »Mathias, es ist die Polizei.«
Mathias Langhoff erhob sich halb aus dem Stuhl. Groß, schlaksig. Chinos, Karohemd. Rote Kopfhaut. Blumenbeete und Steinwälle zogen sich von der Terrasse durch den Garten zum See. Der Rasen gepflegt, kein Halm stand verkehrt.
Margit setzte sich auf die andere Seite des Tischs. Ein typisch dänisches Mittagessen stand zwischen dem Ehepaar: Hering, Leberpastete, Eier, Lachs und dünn geschnittener Aufschnitt. Zum Essen tranken beide ein Bier.
»Wie können wir Ihnen helfen?«
»Es geht um einige ganz bestimmte Tage, die uns interessieren«, sagte Ulrik. »Können wir in Ihr Arbeitszimmer gehen, Herr Langhoff? Sie haben Ihren Kalender doch sicher dort, nicht wahr?«
Allan blieb mit Margit Langhoff auf der Terrasse. Ulrik und Sanne folgten dem Ehemann ins Haus.
»Na, worüber wollen Sie denn mit mir reden?« Mathias Langhoff schloss die Tür hinter ihnen. »Sie wissen vermutlich, dass meine Sekretärin für meine Termine verantwortlich ist.«
Ulrik lächelte.
»Sanne?«
Das war also Ulriks Vorstellung von Diplomatie? Ihr die Vernehmung aufzuhängen? Sie befeuchtete ihre Lippen und sah Langhoff in die Augen.
»Fahren Sie einen silbergrauen BMW ?«
Er bestätigte es.
»Er steht nicht in der Einfahrt?«
»Er ist in der Werkstatt. Der Auspuff ist Mittwoch kaputtgegangen. Nächste Woche bekomme ich ihn zurück.«
»Am Dienstag zwischen 21:15 und 22:30 Uhr hatten Sie hier Besuch von einer Prostituierten«, unterbrach ihn Sanne. Sie ahnte Ulriks Aufstöhnen mehr, als dass sie es hörte.
Einige lange Sekunden starrte Mathias Langhoff sie an. Dann kreuzte er die Arme über der Brust.
»Und?«
»Gestern Nacht wurde eine andere Prostituierte, eine junge Afrikanerin, hier am Brogårdsvej gefunden. Ein Auge hing ihr halb auf der Wange. Ein Kunde hat versucht, es ihr mit einem Skalpell zu entfernen.«
Mathias Langhoff stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch. Sein Gesicht war kalkweiß. Ein gelber Fleck glänzte auf seinem Kragen. Curry-Hering?
»Ich habe davon gehört. Es ist grauenhaft. Und dann hier in unserer Gemeinde.«
»Sanne …?« Ulrik schien unter Schock zu stehen, sonst hätte er sie längst aufgehalten. Aber sie hörte nicht auf
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