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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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Originalausgabe.«
    Lars nickte, er konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
    »Eine der allerersten«, sagte er. »Schau mal auf die Nummer auf dem Etikett.«
    »Und mit dem Loch im Cover, mit Blick auf die Innenhülle. Blau für Stereo.« Christian steckte einen Finger durch das Loch. »Was ist mit dem Plakat?«
    Ursprünglich hatte dem Cover ein Plakat beigelegen. Aber einer der unzähligen Vorbesitzer hatte es weggeworfen, verschenkt, verlegt. Keine Ahnung.
    »Leider.«
    Christian erhob sich auf die Knie und sah Lars fragend an, bevor er den Tonabnehmer von der Lou-Reed-Platte hob und Let it Bleed auflegte. Lars erwartete, das abfallende, Fender-Rhodes-artige Gitarrenriff zu hören, das Gimme Shelter eröffnete, aber stattdessen erfüllte den Raum eine raue Boogie-Gitarre.
    »Midnight Rambler?«
    Christian grinste ihn an. Lars lachte. Er hatte das Gefühl, wieder achtzehn zu sein.
    »Du findest Beggars Banquet zu eintönig? Und dann spielst du die Banquet -artigste Aufnahme der ganzen Platte?«
    Christian hatte sich wieder in den Schneidersitz gesetzt. Die Glut der Zigarette spiegelte sich in seinen Augen, aber sein Gesicht verschwand in einer gewaltigen Rauchwolke.
    Lars stand auf.
    »Ich spiele dir mal eine richtig satte Version von Midnight Rambler vor.« Er setzte sich neben Christian in die Hocke und suchte Get Yer Ya Ya’s Out heraus.
    »Die hier ist fantastisch. Brian Jones war gerade gestorben, es ist die erste Tournee mit Mick Taylor. Das sind die Stones in ihrer schärfsten Form, noch vor Altamont. Du hast von Altamont gehört, oder?«
    »Ja, sicher. Wir hatten einen alten Hippie in Geschichte. Aber wieso hörst du diese Sechziger-Musik? So alt bist du doch auch wieder nicht?«
    »Danke für die Blumen. Als ich in deinem Alter gewesen bin, waren Punk und neuer Rock angesagt, aber ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass alles, was Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger stattfand – Stones und Zeppelin –, dasselbe Feeling hatte. Aber ich kann auch gern Joy Division auflegen.«
    Er nahm Let it Bleed vom Plattenspieler und legte Get Yer Ya Ya’s Out auf. Call and response, Mundharmonika und Publikum, Schlagzeug und Gitarre. Christian wiegte sich hin und her, formte die Lippen zu Mick Jaggers Stimme.
    I ’m talkin’ ’bout the Midnight Rambler,
    Ev’rybody got to go
    Lars schloss die Augen.
    »Das Schärfste an dieser Version ist der Mittelteil, wenn der Break kommt, die Gitarren gegeneinander spielen und Jagger wie ein alter Indianer klingt, der zum Sonnentanz ruft.«
    Christian hob die Augenbrauen, sagte aber nichts. Schweigend saßen sie da, hörten zu.
    Auf dem Plattenspieler begleitete die Band am Ende jede Zeile Jaggers mit tonnenschweren Schlägen.
    I ’m called a hit ’n’ run raper, in anger …
    Or just a knife-sharpened tippie-toe …
    Or just a shoot ’em dead, brain-bell jangler
    Everybody got to go
    »Du weißt, dass es dabei um den Würger von Boston geht, oder?« Christian zündete sich noch eine Benson & Hedges an. Seine Augen leuchteten.
    Und wie er das wusste! Er war auf Let it Bleed gestoßen, als er auf der Polizeischule anfing, wo sie Material zu dem Fall des Würgers von Boston durchgegangen waren. Ihm war es eiskalt den Rücken hinuntergelaufen, als ihm der Zusammenhang bewusst wurde.
    »Glaubst du, es war DeSalvo, der sie alle umgebracht hat?«
    Lars hatte sich auf den Boden gelegt und starrte an den verkratzten, nikotingelben Stuck an der Decke. Er musste sich nicht einmal erinnern. »Hm. Dreizehn Frauen zwischen 1962 und 1964 ermordet und sexuell missbraucht. Das Alter variierte, zwischen neunzehn und fünfundachtzig Jahren, soweit ich mich entsinne. Einige mit Nylonstrümpfen erdrosselt, ein paar niedergestochen. Eine Frau starb an einem Herzinfarkt, als er sie packte.« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. DeSalvo kannte Details von den Tatorten, die nicht an die Presse durchgesickert waren. Auf der anderen Seite gab es große Unterschiede in der Art der Morde. Und dann ist da noch das Alter der Opfer. Die jungen waren sehr jung, nicht wahr? Und auf der anderen Seite von Mitte fünfzig bis, ja, fünfundachtzig Jahre. Es klingt nicht nach einem einzigen Mörder.«
    »Was ist mit dem, den man den Sandmann getauft hat, weil er den Frauen auf so ungewöhnliche Weise die Augen schloss?«
    Lars antwortete nicht, schaute durch den wabernden Zigarettenrauch an die Decke. Midnight Rambler ging über in Sympathy for the Devil . Jetzt redeten sie über

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