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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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Er nickte, zog an seiner Zigarette und kniff die Augen zusammen. Der Bursche war offensichtlich ein paar Jahre älter als Maria. Das sandfarbene Haar hing ihm über Augen, die so blau waren, dass die Farbe über die Augenpartie hinauszustrahlen schien.
    Lars schüttelte den Kopf.
    »Leider nein. Sie wollte sich mit jemandem in der Stadt treffen. Ich weiß nicht, wann sie zurückkommt.«
    »Ist schon in Ordnung.« Selbstsicher kam der junge Mann einen Schritt auf ihn zu. Lars war gezwungen, zur Seite zu treten, wenn sie nicht zusammenstoßen wollten. Einen Augenblick später stand er in der Wohnung. »Wir haben verabredet, uns stattdessen hier zu treffen. Sie kommt sicher gleich.«
    Lars kratzte sich im Nacken und starrte den Jungen ungläubig an, der einen hellen Baumwollmantel trug, obwohl der Sommerabend mild war. Das tiefrote Hemd darunter sah frisch gebügelt und teuer aus.
    Im Wohnzimmer hatte Lou den Kampf mit Sad Song begonnen.
    »Äh, möchtest du vielleicht ein Glas Wein?«, hörte Lars sich fragen. »Und Glückwunsch zum Abitur.« Er nickte in Richtung Mütze.
    »Danke, gern. Könntest du mir den abnehmen?« Der Bursche reichte Lars den Blumenstrauß, der mit seinen gelben und blauen Farben beinahe explodierte. Lars schaffte es gerade noch zuzufassen, bevor er zu Boden fiel. Er stellte den Strauß in eine Ecke des Wohnzimmers, während der junge Mann sich vor die Platten und die Anlage hockte.
    »Ein Rega P1? Und ein NAD 3020? Geil.« Er nickte. »Low end classics.«
    »Ich dachte, in eurer Generation hört niemand mehr Platten?«
    »Ich höre auch meist MP 3. Aber ich habe einen Pro-Ject Xtension, einen Marantz PM -11S2 und ein Paar B & W Diamond zu Hause.«
    Lars war vor einigen Jahren bei einer Vorführung der B & W -Lautsprecher gewesen. Seiner Ansicht nach gehörten sie ganz sicher zu den feuchten Träumen eines Ingenieurs. Aber was aus ihnen herauskam, war weit von dem entfernt, was er unter Musik verstand. Knochentrocken und tot. Er sah ein Teenagerzimmer vor sich, voll mit sauteurer Hi-Fi-Ausrüstung. Marias Freund sah tatsächlich nicht aus, als wohne er in einem der üblichen feuchten Kellerzimmer. Vermutlich stand ihm der gesamte erste Stock der elterlichen Villa in Hellerup zur Verfügung.
    Plötzlich drehte der Bursche sich um und streckte die Hand aus.
    »Christian. Ich habe gerade mein Abitur bestanden, auf dem Øregård-Gymnasium.«
    Ja, danke, er wusste, wo seine Tochter zur Schule ging. Lars drückte die ausgestreckte Hand. Ein kräftiger Händedruck.
    »Lars.« Er nickte. »Setz dich, ich hole ein Glas.«
    Christian grinste und zog eine Schachtel Benson & Hedges aus der Tasche. In den Achtzigern hatten ein paar Yuppies und die richtig smarten Luxuspunks Benson geraucht. Lars verspürte einen plötzlichen Flashback zu Floss, Depeche Mode und Bowie-Videos. Hochprozentiges Bier und Koks auf der Toilette.
    »Darf man rauchen?«
    Lars wies mit dem Kopf auf den Aschenbecher und verschwand mit der halb aufgegessenen Portion Tortellini in der Küche.
    Als er mit einem Glas für Christian zurückkam, hockte der Bursche auf dem Boden und blätterte seine Plattensammlung durch.
    »Sind nicht gerade die neuesten Hits, was?« Lars wollte protestieren, aber Christian winkte ab. »Ich find’s cool. Du hast ein paar geile Sachen. Und alte Stones!« Er zog Beggars Banquet heraus und nahm die Scheibe aus der Innenhülle. »Die Originalpressung. Du weißt, dass sie Geld wert ist, oder?«
    Lars ließ sich ins Sofa fallen, schenkte ihnen Wein ein. Nickte.
    »Ich meine, das sichert dir nicht die Rente, aber ein paar tausend bringt die schon. Wenn man sie an den Richtigen verkauft. Außerdem ist sie in gutem Zustand.« Er hielt die Platte zwischen zwei Fingern, drehte sie und sah sich beide Seiten genau an. »Auch das Cover.«
    »Mich interessiert mehr die Musik. Kennst du die Scheibe?« Lars schob ihm das Glas zu.
    Christian klopfte die Asche ab und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden.
    »Na ja, ist ein bisschen langweilig, finde ich.« Er trank einen Schluck. Ein leicht spöttischer Zug um den Mund, dann lachte er und trank noch einen Schluck, diesmal einen größeren.
    »Ist ja auch bloß Rhythm ’n’ Blues«, sagte Lars. Was wollte der Kerl? »Und trotzdem sind Samba, Country-Imitationen und Music-Hall-Sachen mit drin. Die Platte war ziemlich erfolgreich.«
    Christian zuckte die Achseln.
    »Mir gefiel die hier immer besser.« Er zog Let it Bleed aus dem Kasten. »He, das ist ja auch eine

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