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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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schmatzenden Geräuschen trinkt.
    »Schau ihn dir an, sieh nur. Mein Sohn.« Vater versucht ihren Kopf zu drehen, aber sie will nicht hinsehen, weigert sich.
    Vater ist wieder zwischen ihren Beinen, zieht mehr aus ihr heraus. Im Licht sieht sie eine Schere aufblitzen, er schneidet. Wirft etwas in einen Eimer, während der Junge trinkt.
    »Sieh hin oder lass es. Mir ist es egal.« Vater setzt sich neben die Maschinenpistole, zündet sich eine Pfeife an. »Rechne nicht damit, dass ich dich aus dem Keller lasse, bevor er abgestillt ist. Und wenn dann jemand fragen sollte, ist es das Kind deiner Kusine. Es ist unsere Pflicht, die Familie zu unterstützen und zu beschützen, wir können uns nicht erlauben, dass die Nachbarn klatschen.« An ihrer Brust stößt das Kind leise wimmernde Laute aus.
    Vater beugt sich vor, dreht an den Bakelitknöpfen des Radios.
    »Nenn ihn John«, flüstert sie und wendet den Kopf ab. Vater erstarrt. In diesem Augenblick schwört sie, niemals mit dem zu reden, was sie zur Welt gebracht hat.
    Es knistert im Radio, die Röhren erwachen zum Leben, glühen hinter dem groben Filz. Dann kommt die Stimme.
    »Wir wiederholen: Montgomery hat mitgeteilt, dass die deutschen Truppen …«

47
    Sanne saß mit angezogenen Beinen auf dem Rücksitz. Der Wagen donnerte durch den hellen Abend. Allan fuhr, Ulrik saß auf dem Beifahrersitz. Niemand sagte etwas. Bint folgte ihnen im Fahrzeug der Techniker. In einer Dreiviertelstunde sollten sie sich mit Gregers Vestberg von der Polizei Südseeland und Lolland-Falster bei Sjolte treffen.
    Allan sah sie im Rückspiegel an.
    »Ich habe einen Kollegen in Pristina gebeten, sich ein bisschen umzuhören. Sieht nicht so aus, als hätte Elvir Seferi in der Augenchirurgie gearbeitet.«
    Ulrik folgte dem Gespräch, kommentierte es aber nicht.
    Grüne Felder, der Wald war zu Ende. Auch eine Möglichkeit, Mittsommer zu feiern.
    »Er könnte trotzdem damit zu tun gehabt haben.«
    »Ja, sicher.«
    Ulrik drehte sich um.
    »Hast du Lars erwischt?«
    Sanne schüttelte den Kopf.
    »Ich auch nicht.« Ulrik schloss die Augen, lehnte den Kopf an die Nackenstütze.
    Kein weiteres Wort. Unter ihnen rollte der Asphalt davon.
    Die Töne von Upside Down . Aus Sannes Tasche leuchtete es blau. Sie bückte sich und holte ihr Telefon heraus. Eine +49-Nummer.
    »Ja?«
    »Frau Bissen? Hier spricht Dr. Henkel aus Mülheim. Ich dachte, ich rufe Sie noch einmal an. Ich habe heute mit einem älteren Kollegen gesprochen … und, nun ja, gemeinsam ist uns ein anderer Kollege eingefallen, der leider vor einigen Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Wir glauben uns beide daran erinnern zu können, dass er in den sechziger Jahren einen dänischen Schüler hatte.«
    »Einen Dänen?« Sanne setzte sich auf, gebot Ulrik und Allan, still zu sein. Keiner der beiden hatte etwas gesagt.
    »Ja, einen jungen Mann. Unser Kollege hat ihn sehr schnell wieder hinausgeworfen. Der junge Mann war untauglich. Eigentlich komisch. Sein Großvater war Arzt gewesen.«
    Sanne hielt den Atem an, zählte bis fünf.
    »Und … können Sie sich an den Namen des jungen Mannes erinnern?«
    »Leider nein.«
    Als sie aufgelegt hatte, ließ sie sich vom Wachhabenden die Nummer von Professor Lau geben. Drei Minuten später schmiss sie ihr Telefon auf den Sitz.
    »Kein Anrufbeantworter?« Allan beschleunigte und überholte einen roten Opel.
    Sie schüttelte den Kopf. Zwang sich, ruhig zu atmen.

48
    Sein Telefon brummte in der Jackentasche. Lars riss den Lenker herum, zog den Wagen an einem Peugeot vorbei, der über den Bernstorffsvej trödelte, und hielt kurz darauf am Straßenrand. Das Auto hatte er aus der Fahrbereitschaft in der Hambrosgade geholt, ohne im Präsidium gewesen zu sein. Der Peugeot fuhr laut hupend an ihm vorbei. Vor ihm färbte die Sonne den Himmel unter den letzten bleischweren Wolken golden. Der Wind blies die Reste mit einer kräftigen Bö über den Øresund. In den Fenstern war Licht, die Menschen aßen zu Abend. Der eine oder andere Familienvater war noch im Garten, um die Plane von den Holzstößen zu ziehen, die bald entzündet wurden. Sankt-Hans-Abend, das Mitsommernachtsfest, stand bevor.
    Lars hatte wenig Zeit, er rutschte auf dem Sitz herum. Es brannte in der Nase. Er zog das Telefon heraus.
    »Ja?«
    »Lars?« Es war Sanne. Ein Klumpen löste sich, sickerte blubbernd in seinen Körper. Vermischte sich mit den chemischen Substanzen, die ihn wach hielten. »Wo bist du gewesen?«
    Er

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