Blutwind
lachte.
»Sanne? Es war schön gestern.« Kurze Pause. »Ich war zu Hause, habe nachgedacht. Aber du …«
Sie unterbrach ihn.
»Hast du das Extra Bladet gesehen?« Plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie sich Sorgen machte. Sie fuhr fort, bevor er antworten konnte. »Du bist raus aus dem Fall. Kim A . ist der neue Ermittlungsleiter.«
Sie hielt inne, wartete. Aber Lars war längst über den Punkt hinaus, wo ihn so etwas aufregen konnte. Er zog die Nase hoch und rieb sie mit dem Zeigefinger.
»Ist egal. Ich mache von jetzt an allein weiter. Ich habe eine Spur. Maria …«
»Lars …«
»Ich bin froh, dass du angerufen hast. Aber ich hab’s eilig. Ich rufe dich später zurück, versprochen. Hej!«
»Lars, hör mal …« Er hatte das Gespräch beendet, bevor sie ihren Satz beenden konnte. Er legte den Gang ein und raste auf den Bernstorffsvej.
Er war auf dem Weg zu einem Fest.
Das Haus, ein riesiger weißer Bau mit schwarz lasiertem Mansardendach, stand zurückgesetzt an der Egebjerg Allé. Der Verkehrslärm des nahen Bernstorffsvej war kaum zu hören. Zur Straße hin stand ein turmähnlicher Giebel mit einem Erker und einem Balkon im ersten Stock. Fenster mit kleinen Sprossen, der Garten einfach und gepflegt. Licht und Gelächter strömten aus den offenen Terrassentüren. Gläser klirrten. Eine mittelmäßige Anlage spielte Maroon 5, Payphone . Lars kannte das Video auf YouTube. Er hatte es nicht zu Ende gesehen.
Die Einfahrt flankiert von zwei weißen Säulen, in denen ein schwarzes schmiedeeisernes Tor verankert war. Davor ein über zwei Meter großer Wachmann eines privaten Wachdienstes.
Lars parkte den Ford auf der anderen Seite der Straße und stieg aus. Es war dunkel geworden. Es duftete nach Flieder und frisch gemähtem Gras. Fackeln säumten die Einfahrt, nachts beleuchteten Kegelspots an den Säulen das Tor.
Der Wachmann trat einen Schritt vor.
»Kann ich Ihnen helfen, mein Herr?«
»Ich will mit meiner Tochter reden. Sie ist da drin.« Er wies mit dem Kopf auf das Haus.
»Der Zutritt ist leider nur mit einer Einladung möglich. Ich bedauere.«
Lars seufzte, zog seine Polizeimarke heraus und ging an dem Wachmann vorbei, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Stopp!«, rief der Mann ihm hinterher. »Sie können doch nicht einfach …«
Lars reagierte nicht, sondern ging weiter die Einfahrt hinauf. Ein alter, gut erhaltener Jaguar schimmerte im Licht der Fackeln oben am Haus. Er stieß einen Pfiff aus und erlaubte sich, die schlanken Kurven ein paar Sekunden zu betrachten, bevor er den Garten betrat und sich der Terrasse näherte. Eine Menge Jugendlicher in Anzügen, kurzen Röcken und Studentenmützen stand herum und rauchte. Maria war nicht unter ihnen.
Er trat auf die Terrasse, ging zwischen den Paaren umher. Er fiel auf. Zu alt, zu schlecht gekleidet. Verkehrt. Im Wohnzimmer wurde die Musik aufgedreht, eine Gruppe Mädchen verteilte sich auf der Tanzfläche. Die hart stampfenden Beats wurden leiser, verdrängt durch ein altes Lied, das er ausschließlich in seinem eigenen Kopf hörte.
Die Jugend macht auf sich zum Tanz
Jedes Jahr, wenn du sie rufst, Sankt Hans
»He, du hast dich wohl verlaufen, Opa?« Die Stimme erklang hinter seinem rechten Ohr und riss ihn zurück in die Gegenwart. Er wollte sich umdrehen.
»Ich werde dir helfen.« Ein fester Griff an seinem Arm. Es war nicht wirklich unfreundlich, aber man amüsierte sich. Über ihn. Lars versuchte, sich loszureißen, murmelte irgendetwas von Maria.
»Lass ihn los.« Die Stimme klang gleichzeitig bekannt und fremd. »Lars?« Ein junger Mann quetschte sich durch die Gruppe und stellte sich vor ihn.
»Simon?« Lars trat einen Schritt beiseite, musste sich auf einen Stuhl stützen. Marias Ex? Hier?
»Ist er besoffen?«, fragte jemand. Simon fasste ihn unter den Arm, stützte ihn.
»Maria?« Er redete jetzt leiser. Fixierte Simon. »Ist sie hier?« In diesem Moment sah er sie. Sie kam aus der ersten Etage die Treppe hinunter, die Hand lag locker auf dem geschwungenen Geländer. Ein weißes ärmelloses Kleid schimmerte mit ihren dunklen Haaren um die Wette, über ihre Schultern hatte sie einen Schal gelegt. Sie entdeckte ihn und lächelte, die Stimmen um ihn herum verschwammen.
»Du kannst hier nicht rein. Das ist ein privates Fest.«
»Warum hat der Wachmann ihn nicht aufgehalten? Was glaubt der, wofür er bezahlt wird?«
Er steckte die Hand in die Tasche, zog die Marke heraus.
»Polizei. Ich muss mit meiner Tochter
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