Blutwind
die Kontrolle über den Fall verloren hat. Wichtigen Spuren wird nicht nachgegangen, die Kräfte werden falsch eingesetzt.« Am Fuß des Artikels das Foto eines durchnässten Lars auf der Heckklappe eines Polizeiwagens, der versuchte, sich eine Zigarette anzustecken. Die Bildunterschrift lautete: »Wie Extra Bladet erfuhr, lehnt es Lars Winkler, der die missglückte Aktion im Hans Tavsens Park in der Nacht zum Samstag leitete, ab, den üblichen ermittlungstechnischen Regeln zu folgen. Die Frage ist, ob die Bürger sich bei dieser Lageeinschätzung der Polizei noch sicher fühlen können.«
Er ballte die Fäuste, zerriss beinahe die Zeitung.
»Na, na, mein Freund, immer mit der Ruhe. Die Zeitung hat Ihnen doch nichts getan.« Der füllige Mann auf dem Sitz neben ihm lachte. Lars ließ die zerknüllte Zeitung los, faltete sie zusammen und schenkte sie seinem Nebenmann.
Er lehnte die Stirn an die Scheibe und blickte ins Nichts, während sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen. Der Bus setzte seine Fahrt auf der Nørrebrogade fort. Als sie an die Griffenfeldtsgade kamen, sprang er auf und drückte den Halteknopf. Ungeduldig wartete er, bis der Bus vor dem Teater Grob hielt.
Er brauchte Ruhe, er musste nach Hause. Es war an der Zeit, alles in Frage zu stellen und ganz von vorn anzufangen.
46
Es war nach zwei, als sie nach Hause kam. Martin hatte gewartet, wütend und betrunken, um sie zu verhören. Wo war sie gewesen? Was hatte sie gemacht, mit wem hatte sie den Abend verbracht? Am meisten demütigte es sie, dass er offensichtlich schon alles wusste, als sie zur Tür hereinkam.
Auf dem harten Sofa hatte sie nicht viel Schlaf bekommen, und als sie wach wurde, hatten Martin und sie sich weiter gestritten. Es pochte hinter ihren Augen, als sie die Treppe zu dem dunkelroten Flur mit der grünen Tür hinauflief. Nicht denken. Kaffee, Unmengen von Kaffee. Schließlich hatte sie zu arbeiten. Ein braunes Kuvert aus ihrem Fach in der einen und einen Plastikbecher in der anderen Hand balancierend öffnete sie die Tür ihres Büros. Sie huschte hinein, warf die Tür hinter sich zu und ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Kalte, klebrige Schweißtropfen liefen ihr über die Stirn und blieben in den Augenbrauen hängen.
Sie trank von dem lauwarmen Kaffee. Der geröstete, bittere Geschmack zog ihren Gaumen zusammen und ließ den Magen implodieren, machte aber erstaunlich munter. Sie steckte eine Ecke des Umschlags zwischen die Zähne und riss ihn mit der freien Hand auf. Zwei DVD s fielen aus dem Kuvert. Die gestrigen Aufzeichnungen der Überwachungskameras am Eingang der Bahngebäude an der Øster Voldgade, direkt gegenüber vom Statens Museum for Kunst. Irgendjemand hatte schnell gearbeitet.
Sie fuhr ihren Computer hoch und legte die erste DVD ein.
Die Aufzeichnungen begannen um 17:00 Uhr, als das Museum geschlossen wurde. An dem warmen Sommernachmittag hatten die meisten ihre Sakkos ausgezogen. Die Museumsbesucher marschierten in Hemdsärmeln und T -Shirts vorbei. Sie spulte auf 19:30 Uhr vor und spielte die DVD in doppelter Geschwindigkeit ab. Schaute konzentriert zu, bis die Zeitangabe 22:03 Uhr anzeigte. Der Zeitpunkt, an dem ein Gast der Veranstaltung des Finanzrats die Leiche gefunden hatte.
Nichts.
Sanne fluchte, begann von vorn. Hatte gerade Bilder der Passanten ausgedruckt, als Allan anklopfte.
»Bist du so weit?«
Sie sah ihn fragend an.
»Seferi sitzt in meinem Büro.«
Elvir Seferi, natürlich.
»Entschuldigung, ich bin etwas …« Sanne stand auf und folgte Allan in das Büro, das er sich mit Toke teilte. Sie schloss die Tür und setzte sich neben Allan. Auf der anderen Seite des Tischs saß ein kleiner, gebückter Mann mit einem buschigen Schnauzbart und Bartstoppeln bis zu den Augen. Das kurzgeschnittene weiße Haar reichte bis zu der braunen Schläfe. Eine speckige Mütze lag neben seinen rastlosen Fingern auf dem Tisch.
Allan schaltete den Recorder an und stellte Sanne vor. Dann beugte er sich über den Tisch. »Du weißt, weshalb du hier bist?«
»Nein?« Die Finger fummelten an der Mütze.
»Einbruch in eine Zahnarztpraxis in Valby im Februar, sagt dir das was?« Sanne hatte die Arme verschränkt und betrachtete den Mann von der anderen Seite des Tischs. Er schwitzte.
»Aber … das war ich nicht. Ihr das wissen?«
»Du kennst die Bukoshi-Brüder?« Allan stellte die Frage.
»Bu…?«
»Sie behaupten beide, dass du ihnen ein Alibi für den Abend des 4. Mai geben kannst. Ihr habt im
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