Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
Ben seiner Tochter Luisa Gras vertickt haben, wäre dem Choleriker durchaus ein Mord zuzutrauen.«
Mick nickte. »Und sein Alibi ist denkbar schwach. Welche Tochter schickt den eigenen Vater schon gerne in den Knast?«
Auch Andreas nickte. Was Retz anging, waren sie sich einig, aber … »Dir ist schon klar, dass durch Bens Aussage nicht nur Retz belastet wird?«
Ja, das wusste Mick. Es schmeckte ihm nicht, aber aus Bens Befragung hatten sich auch Verdachtsmomente gegen Willi Albrecht ergeben.
»Er wusste, dass sein Enkel mit den Tauben Drogen schmuggelt, und wenn man Ben glaubt, war er darüber ja wohl auch alles andere als erfreut«, brachte Andreas die Sache noch mal auf den Punkt. Mick war anzusehen, dass ihm die Idee nicht wirklich gefiel.
»Ja, aber dass er das nicht an die große Glocke hängt, ist auch klar.«
»Die Frage ist nur, aus welchem Grund? Weil er seinen Enkel auch nach dessen Tod schützen will oder weil er fürchtet, sich selbst verdächtig zu machen? Ich mein, überleg mal. An dem Tag, an dem Thomas erschlagen wurde, hat er schließlich zusammen mit Ben wieder was über die Grenze geschafft. Wenn der Alte das mitgekriegt hat, ist ihm vielleicht einfach ’ne Sicherung durchgebrannt.«
Die Äste einer Hainbuchenhecke schabten an der Beifahrerseite entlang, bevor Mick den Wagen mit einem Ruck zum Stehen brachte.
»Klar, denkbar ist alles. Den Taubenopa nehmen wir uns gleich noch mal zur Brust. Aber jetzt kümmern wir uns erst mal um Retz. Der hat schließlich schon von Haus aus ’ne Sicherung locker.« Mick stieg aus. Da er den Wagen ganz rechts geparkt hatte, gelang ihm das problemlos. Dafür war Andreas’ Tür hoffnungslos eingekeilt. Er musste über die Mittelkonsole klettern. »Ja, und dass du halb in seiner Hecke parkst, macht’s wahrscheinlich nicht besser.«
Als Mick und Andreas den Garten betraten, bot sich ihnen ein befremdlicher Anblick. Adolf Retz kniete auf dem Rasen und hatte den Kopf in einem Buchsbaum versenkt. Neben ihm stand eine Sprühflasche mit angeschraubtem Drei-Liter-Kanister. Doch Retz begnügte sich noch damit, den »Feind« auszuspähen, bevor er ihm ans Leder ging.
»Ihr cleveren kleinen Scheißer!«, murmelte er durchaus fasziniert in sich hinein. Er bemerkte Mick und Andreas nicht, die bereits neben ihm standen.
Andreas räusperte sich. »Herr Retz, wir müssen mit Ihnen reden.«
»Kommen Sie mal!« Ohne den Kopf aus dem Buchsbaum zu nehmen, hob Retz eine Hand vom Boden und winkte Andreas heran. »Das müssen Sie sich wirklich mal ansehen.«
Andreas warf Mick einen Blick zu. Glaubte Retz wirklich, er tauchte zu ihm in den Busch ab?
»Herr Retz, die Kripo Essen schnüffelt gern ’n bisschen rum, aber Ihr Grünzeug scheint uns gänzlich unverdächtig.« Micks Ansage veranlasste Retz, wenigstens kurz aus dem Buchsbaum aufzutauchen.
»Ach, Sie sind’s«, wunderte er sich, musste dabei aber aufpassen, dass ihm der halbe Haferkeks, den er im rechten Mundwinkel geparkt hatte, nicht herausfiel. Okay, wohin hätte er ihn auch sonst stecken sollen, wenn er schon beide Hände benötigte, um sich abzustützen? Trotzdem machte er so nicht gerade den intelligentesten Eindruck. »Wollen Sie auch einen?«, nuschelte Retz. »Sind lecker. Vorne auf der Terrasse stehen noch mehr.« Retz bemerkte die amüsierten Blicke von Mick und Andreas nicht einmal und verschwand wieder im Buchsbaum. »Sie müssen sich das wirklich mal angucken. Da drin hat sich eine Blattlauskolonie breitgemacht. Das ist ’ne richtige Stadt! Straff durchorganisiert sind die und …«
»Herr Retz?« Andreas war ob des seltsamen Verhaltens langsam etwas beunruhigt. »Wir sind wegen Ihrer Tochter hier.«
»Ja, ja, die ist drinnen in der Laube.«
Mick wurde es zu bunt. Er packte Retz am Schlafittchen und zog ihn aus dem Buchsbaum raus. »So! Den Heinz Sielmann kannste gleich wieder geben. Jetzt gibt’s aber erst mal ein paar Antworten.«
So, wie sie Adolf Retz zuletzt kennengelernt hatten, war eigentlich nicht davon auszugehen, dass der eine solche Behandlung auf sich sitzen lassen würde. Tatsächlich wurde Retz jedoch nicht wütend, sondern blickte Mick und Andreas nur verwirrt an, bis sich plötzlich ein fast schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht breitmachte und er unvermittelt nach der Sprühflasche griff. Im nächsten Moment traf Mick ein Wasserstrahl mitten auf der Brust, und Retz brach in schallendes Gelächter aus. »I shot the sheriff, but I did not shoot the deputy«, sang er,
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