Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
hinweg an und legte die Stirn in Falten. Das war nie ein gutes Zeichen.
»Ja, wenn du weiter trödelst, wird’s wohl kaum nen 7-Minuten-Pils«, versuchte Mick, Zeit zu schinden, während es in ihm arbeitete, wo das Problem liegen könnte. Dann glaubte er, die Lösung gefunden zu haben. Es war an der Zeit, mal wieder den Deckel zu begleichen. »Was kriegste?«
Mick zückte sein Portemonnaie. Uschi schnappte sich die Geldbörse. Drei Fünfzigeuroscheine wanderten in ihre Kasse. Anschließend wischte sie mit dem Spüllappen über die kleine Schiefertafel, wo Micks Strichliste bis eben mit beachtlichem Vorsprung geführt hatte. Mick war zufrieden. Bis er registrierte, das Uschi noch immer nicht zapfte, sondern ihn nur musterte.
»Soll ja Leute geben, die in der Kneipe schon verdurstet sind«, maulte Mick.
»Soll auch Leute geben, die schleppen hier erst ’ne kleine Chinesin an, nur um sie dann Hinz und Kunz aufs Auge zu drücken, anstatt sich selber mal zu kümmern.«
Verdammt. Li-Zi hatte er glatt vergessen. Es war einfach zu viel los gewesen. Zwar blieb Micks leicht verlegener Gesichtsausdruck auch Uschi nicht verborgen, das hinderte sie aber nicht daran, noch einmal nachzusetzen. »Die Kleine ist 8000 Kilometer von zu Hause weg!«
»Ja, umso wichtiger wär’s dann vielleicht, sie beim Shoppen nicht sofort zu verlieren.« Die Taktik, sich mittels »Vorwärtsverteidigung« aus der Defensive zu befreien, war bei Uschi eigentlich noch nie aufgegangen. Dennoch fiel Mick nichts Besseres ein.
»Ich hab sie nicht verloren. Sie ist abgehauen, weil sie zu dir wollte, du Holzkopf! Und was machst du? Du parkst sie bei Martin!«
Mick wusste selbst, dass der Tag nicht optimal gelaufen war. »Was hätte ich denn machen sollen? Händchen haltend Mörder fangen geht nu schlecht!«
»Mick, wir helfen alle gerne. Die Kleine ist ein echter Sonnenschein. Aber DU hast sie da rausgeholt. Du bist der, dem sie vertraut. Deshalb bist DU für sie verantwortlich!«
Dummerweise war das wohl die Wahrheit, was Uschi da sagte. Aber das selbsternannte schlechte Gewissen auf der anderen Seite des Tresens machte es sich auch ein bisschen einfach. »Weißte, Uschi, du hast ja recht. Und ich will mich auch um die Kleine kümmern. Ehrlich!« Mick versuchte sich nun in versöhnlicheren Tönen. »Aber genau da liegt das Problem, wenn du mir immer mit ›Such dir mal ’ne Freundin!‹ kommst. Auf Dauer kannst du nämlich nur eins mit Leib und Seele sein: entweder Bulle oder treusorgender Freund, Mann, Familienvater oder was auch immer. Beides kriegste nicht unter einen Hut.«
Uschi betrachtete Mick einige Augenblicke.
»Und was ist mit Andreas? Wird Andreas jetzt ein schlechter Bulle, nur weil er bald heiratet und Vater wird?«
Mick war für einen Moment ehrlich irritiert. Nicht, weil die Frage so abwegig schien, sondern weil er noch nie darüber nachgedacht hatte. »Das kannste doch nicht miteinander vergleichen.« Er winkte ab und hoffte, dass Uschi es gut sein ließ, bis er sich auf die Frage die passende Antwort zusammengestrickt hatte. Natürlich ließ sie es nicht gut sein.
»Oh, ich hab da noch ’nen besseren Vergleich. Was ist denn mit dir? Was für ein Bulle wärst du geworden, wenn dich die Kugel damals nicht erwischt hätte?«
Über die Frage, wie sein Leben dann verlaufen wäre, hatte Mick schon so oft nachgedacht. Häufig sogar so lange, bis der Schmerz zu groß geworden war und dringend betäubt werden wollte. Selbst heute, wo er endgültig von seiner Frau geschieden und seine Tochter eine junge Dame war, trieb sie ihn noch immer um.
Wie wäre es wohl, noch einmal neben Lisa aufzuwachen? Oder mit der kleinen Isabelle auf dem Arm in die Küche zu schleichen, um Mama mit dem Frühstück zu überraschen? Oder vom Dienst nach Hause zu kommen und noch an der Türschwelle all das Leid und all den Dreck des Tages abzuschütteln, weil drinnen die Menschen auf einen warteten, die man liebte?
All diese Fragen hatte Mick sich schon tausend Mal gestellt, doch die Frage, was für ein Polizist und Mordermittler er als Familienvater geworden wäre, war ihm gänzlich neu. Hätte auch er sich irgendwann entscheiden müssen, ob er ein guter Ermittler und lausiger Vater oder eben ein lausiger Ermittler und guter Vater sein wollte? Die Richtung, in die sich das Gespräch entwickelte, gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Ich glaube, das ist keine Frage von Entweder-oder«, mischte sich Uschi in Micks kreisende Gedanken. »Du hast es dir einfach
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