Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
nur viel zu lang in deiner Rolle als einsamer Wolf bequem gemacht.«
Mick seufzte. Da waren sie wieder. Frauen und ihre Probleme mit einsamen Wölfen. »Sag mal, ist das bei euch Weibern irgendwie so ’n Rotkäppchen-Komplex?«
»Mach dir mal lieber Gedanken über deine eigenen Komplexe. Warum lässt du wirklich niemand an dich ran? Weil dein Job dir keine Zeit lässt? Weil dem ›einsamen Wolf‹ seine Freiheit über alles geht? – Oder hast du einfach Schiss?«
Mick blickte auf. Außer Uschi durfte eigentlich niemand so mit ihm reden. Aber selbst sie durfte den Bogen nicht überspannen. Besonders wenn sie derart auf dem Holzweg war. Mick wusste, dass man ihm vieles vorwerfen konnte, aber Feigheit vor dem Feind gehörte sicher nicht dazu. »Wovor soll ich bitte Schiss haben?«
»Das findest du schon noch selber raus.« Uschi schob Mick die Schlüssel über den Tresen. »Li-Zi wartet jedenfalls in deinem Zimmer.«
Mick stutzte. »Wieso in meinem? Sie hat doch ’n eigenes.«
Uschi griff entnervt zum Zapfhahn. »Himmel noch mal! Wenn du so blöd fragst, dann bleibste wirklich besser hier sitzen.«
Womit Mick die Antwort verdient hatte, wusste er wirklich nicht. Da es aber nicht danach aussah, als würde der restliche Abend mit Uschi noch besonders heiter werden und da ihn tatsächlich ein schlechtes Gewissen wegen Li-Zi plagte, hob er nur entschuldigend die Hände und nahm den Schlüssel.
Li-Zi musste Micks schwere Schritte auf der Treppe gehört haben, denn kaum, dass er oben im Flur angelangt war, fiel sie ihm auch schon in die Arme. So viel Herzlichkeit machte selbst einen Typ wie ihn ein wenig verlegen. Li-Zi war gute anderthalb Köpfe kleiner als er. Ihre Arme waren gerade eben lang genug, um seinen massigen Oberkörper einmal zu umschließen, während sie ihren Kopf gegen seine Brust drückte. Mick traute sich deshalb auch nur zaghaft, die Umarmung zu erwidern. Nicht, dass er Li-Zi am Ende noch zerdrückte.
Noch während er überlegte, wo genau er seine Arme lassen sollte, löste Li-Zi die Umarmung schon wieder und zerrte ihn bei der Hand in Richtung Zimmer. Mick folgte. Als er jedoch die Klinke runterdrücken wollte, versperrte Li-Zi ihm den Weg.
»Ja, wie jetzt? Aber das ist doch …« Li-Zi begann mit ihren Händen vor seinem Gesicht herumzufuchteln. Was wollte sie nur? Vorsichtshalber trat Mick einen Schritt zurück, da die Kleine es offenbar auf seine Augen abgesehen hatte. Erst als Li-Zi sich selbst die Augen zuhielt und Mick danach auffordernd in die Brust pikte, kapierte er, was sie wollte, und tat, wie ihm geheißen.
Mit geschlossenen Augen ließ er sich ins Zimmer führen. Als Li-Zi ihm dort die Hände vom Gesicht nahm, glaubte Mick prompt, im falschen Raum zu sein.
Selbst freundlich formuliert war Micks Kammer nie mehr als ein dunkles Loch gewesen. Gar nicht mal klein, aber eben mit dem Charme einer Rumpelkammer. Ein Bett, ’ne Couch, ein Tisch, ein Stuhl. An der Wand drängte sich ein Schrank neben eine Anrichte. Beides bester »Gelsenkirchener Barock«, während der Rest der Einrichtung ein erlesenes Ensemble aus Eiche-Brutal, Dezifix im Kirschbaumlook und Pressspan war. Alles ähnlich stilsicher kombiniert wie die Outfits von Boy George.
Und jetzt? Mit viel liebevoller Handarbeit war es Li-Zi gelungen, aus dem Loch fast so etwas wie ein gemütliches Zimmer zu machen. Die Möbel waren neu arrangiert. Über dem zerschlissenen Stoff der Couch lag eine bunte Decke. Das Licht der nackten Glühbirne wurde durch einen selbstgefalteten Papierschirm gedimmt. Die schönsten von Micks alten Plattencovern waren an der Wand zu einer quadratischen Collage zusammengesetzt, und auf der Anrichte fand sich ein Zoo aus wahrhaft kunstvollen Origami-Tieren.
Noch während Mick den Raum bestaunte, drückte Li-Zi ihm einen Zettel in die Hand. »Eine Haus ohne Frau sein wie Garten ohne Blume.« Mick nickte und musste kurz die Augen zusammenkneifen. »Tja, wenn du den aus ’nem Glückskeks hast, ist der echt gut.« Er lächelte Li-Zi an und versuchte, seine Rührung zu überspielen. Gleichzeitig stellte er sich die Frage, wie Li-Zi sich die Nachricht zusammengebastelt hatte. Dann entdeckte er ein Wörterbuch auf dem Couchtisch. Praktisch, auch wenn die Kommunikation damit etwas mühsam werden dürfte. Dennoch bot sich so vielleicht die Möglichkeit, Li-Zi klarzumachen, was sie als Nächstes erwartete. Umgehend fühlte sich Mick ein wenig schäbig. Das kleine Täubchen gab sich alle Mühe, war
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