Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
tat gut, das mal gesagt zu haben. Gleichzeitig war Mick immer noch fassungslos. War das wirklich wahr? Er hatte ’ne nackte Frau neben sich und schwadronierte über seine Verflossenen?! Na ja. Einen Vorteil hatte es. Wenn es einen Weg gab, ’ne Braut abzutörnen, dann ganz sicher diesen. Doch Moment! Li-Zi machte keine Anstalten, von ihm abzurücken, sondern kuschelte sich mit geschlossenen Augen noch etwas näher an ihn, während sie den fremden Lauten lauschte.
Das war es! Das war der Grund, warum plötzlich Dinge über seine Lippen kamen, die Tanja in zwei Jahren Therapie nicht von ihm zu hören bekommen hatte. Mick hätte ihr nicht mehr in die Augen blicken können, wenn er sich nur einmal so die Blöße gegeben hätte. Aber Li-Zi hatte ja keine Ahnung, wovon er gerade sprach! Mit einem Mal war Mick alles klar. Frauen, die einen nicht verstanden, waren einfach die besseren Zuhörerinnen. Man musste keine Angst haben, das Falsche zu sagen, oder sich Gedanken machen, wie man danach dastand! Man konnte einfach reden. Warum war er da nicht schon eher draufgekommen?
Mick holte tief Luft. Plötzlich fühlte er sich nicht nur wieder klar, sondern auch befreit.
»Irgendwo ist es ja ’ne traurige Ironie. Im Job hab ich ständig mit Leuten zu tun, die auch jemanden verloren haben. Viele zerbrechen daran, und ich weiß, was sie fühlen. Aber ich hab auch ein paar getroffen, die waren unglaublich stark. Wenn man die sieht, weiß man: Die werden eines Tages die Scherben zusammenfegen. Die schließen den Schmerz nicht weg, sondern bewahren ihn sich. Nicht um zu leiden, sondern weil sie wissen, dass er sie am Ende noch viel stärker macht. Die haben keine Angst. Die denken: Wenn ich das hier überleb, dann kann mir im Leben nichts mehr passieren, was auch nur annähernd so schlimm ist. Und dann … dann kriegen die noch ’ne Sache hin, die ich einfach nicht auf die Kette krieg. Die hören irgendwann auf zurückzuschauen und gehen wieder auf Anfang. Das ist wie bei Monopoly. ›Zurück auf Los!‹ Na ja. Monopoly werdet ihr in China wohl kaum kennen. – Lisa hat immer gern Monopoly gespielt, obwohl das eigentlich gar nicht zu ihr passte.« Jetzt sprang er etwas zwischen den Themen, aber es war ja egal.
»Lisa hat es wirklich geschafft ›Zurück auf Los‹ zu gehen. Sie musste ja auch. Mit mir war nun wirklich nicht mehr zu rechnen. Gut, sie hätte sich wen anders als Meisner suchen können, aber am Ende ist der ja auch noch ganz okay. Ist schon witzig. Ich hab’s immer als meine Aufgabe verstanden, Lisa zu beschützen. Aber heute denk ich manchmal: Sie ist stärker als ich, weil sie die Vergangenheit hinter sich lassen konnte.«
Mick kämpfte mit einem Gähnen. Ob Li-Zi überhaupt noch wach war?
»Tja, und dann kam die Sache mit Tanja. Was da alles schiefgelaufen ist! Ich frag mich heute noch, ob wir einfach zu unterschiedlich oder zu ähnlich sind. Auf den ersten Blick natürlich zu unterschiedlich. Sie tut halt immer so kontrolliert. Aber das ist es eben … sie tut nur so. In Wirklichkeit schlummert in der Frau ein Vulkan und eigentlich …«
Mick verlor kurz den Faden, weil ihm die Augen zugefallen waren, trotzdem bemühte er sich, den Gedanken noch zu Ende zu bringen.
»In jedem Fall ist die Geschichte vorbei. Dafür ist viel zu viel passiert … Also … heißt es wohl auch für mich ›Zurück auf Los‹. Aber das … davon red ich ja die ganze Zeit … ist halt auch nicht so leicht, wenn man lieber zurück als nach vorne blickt … Das weiß ich selbst. Die Vergangenheit ist in Stein gemeißelt … aber die Zukunft ist noch völlig offen … Das Einzige, was sie bestimmt, ist der Moment … und … Tanja hat immer gesagt …«
Es war so weit. Die Müdigkeit hatte auch über ihn gesiegt. Es folgte eine Nacht, in der Mick so gut schlief wie noch nie, seit er aus dem Koma erwacht war.
5
Mick war spät dran, als er am nächsten Tag auf den Eingang des Präsidiums zuhielt. Schuld daran war nicht, dass er verschlafen oder sich nicht von Li-Zi hätte trennen können. Eher war das Gegenteil der Fall. Mick war froh, etwas Abstand von Li-Zi zu gewinnen, denn was auch immer ihn am Abend vorher geritten hatte, beim Aufwachen neben dem kleinen Täubchen war es ihm peinlich gewesen.
Dummerweise stand dieses latente Gefühl der Scham im krassen Gegensatz zu dem, wie er sich sonst fühlte. Er wusste selbst nicht warum, aber er hatte gute Laune. Und zwar die Sorte guter Laune, die man für gewöhnlich
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