Blutzeichen: Deadly Sins 2 - Roman (German Edition)
hinzusehen, aber alles war da, in ihrem Hinterkopf.
Hab keine Angst! ,hörte sie Pater Philips ruhige sonore Stimme, als stünde der Priester neben ihr. Sie blinzelte die Tränen fort, die ihr prompt kamen. Der Pater würde nicht wollen, dass sie sich in Selbstmitleid und Furcht erging; er würde von ihr erwarten, sich zusammenzureißen und zu tun, was getan werden musste. Und in diesem Moment bedeutete das, ihre Vision zu analysieren, sich auf das Gesehene zu konzentrieren, das sie nicht verarbeitet hatte, weil sie sich zu sehr fürchtete.
Moira hatte gesehen, was der Dämon sah: die dunkelhaarige Frau. Wo war sie? In einem Geschäft. Dort befanden sich noch andere Leute. Moira konnte niemanden richtig erken nen, aber sie fühlte die Stimmen – Musik – im Hintergrund vibrieren. Stimmen … Leute … Tanzen … Trinken. Ein Club. Ein Ort, den Leute aufsuchten, die gesehen werden, einen One-Night-Stand finden wollten und sich gleichzeitig vorlogen, sie wären auf der Suche nach wahrer Liebe.
Moira belog sich nie. Sie hatte ihre eine wahre Liebe gefunden, und sie war tot. One-Night-Stands waren alles, was sie körperlich mit dem Rest der Menschheit verband. Mit den glücklichen Seelen, die ihr Leben nicht in Schuld und dem schrecklichen Wissen fristeten, das Moira am liebsten auch nie besessen hätte. Dem Wissen, dass Monster – oder vielmehr Dämonen – real waren; dass Geister verlorene Seelen und manche auf Rache aus waren; dass Magie aus der Hölle kam und es egal war, mit welcher Absicht man sich ihrer bediente: Man musste sie mit Blut bezahlen. Und kassiert wurde von Satan.
Ihre Nackenhaare stellten sich auf, und ihre Haut kribbelte. Sie hätte sich einreden können, dass sie schlicht zu lange im kühlen Morgennebel stand und eine Gänsehaut bekam, doch so dumm war sie nicht.
Jemand beobachtete sie, kam von hinten auf sie zu, näher und näher.
Moira riss die Augen auf, zog das Messer aus ihrer Tasche und fuhr herum.
Rico Cortese packte ihr Handgelenk, bevor sie ihn verletzen konnte. »Ich dachte schon, du hättest alles vergessen, was ich dir beigebracht habe.«
»Ich hätte mich rechtzeitig zurückgezogen.« Hoffte sie jedenfalls.
»Ich weiß.« Der Olivet-Trainer musterte sie mit einem verhaltenen Lächeln. »Zumindest bist du noch in einem Stück.«
»Wie du auch«, erwiderte sie.
Er war ganz in Schwarz und sah eher wie ein Mafiapate aus als wie ein Gottesmann. Sein italienischer, dunkler Teint war von einer Narbe an seiner Schläfe verunstaltet, und er hatte die Statur eines Marines. Was Moira recht passend vorkam, denn mit dem St.-Michael-Orden leitete Rico das kirchliche Pendant zu den Special Forces: weniger eine Gottesarmee als eine gegen Satan.
Rico umarmte sie und küsste sie auf die Wange. »Schön, dich zu sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Wie du schon sagtest: Ich bin noch ganz.«
Sie hatte vergessen, wie sehr sie Rico mochte, selbst wenn sie ihn während des Trainings oft erwürgen wollte. Er hatte sie gezwungen, beständig härter zu arbeiten, gründlicher nachzudenken und viel mehr zu fühlen. Und alles zu dem Zweck, sie zu brechen und zu einer Kriegerin zu formen. Am Ende, als sie gemeint hatte, sie wäre einmal zu oft in Stücke gerissen worden und könnte nie etwas anderes als das Bauernopfer in einem Spiel sein, das sie nicht verstand, hatte er ihr gezeigt, dass sie stärker war, als sie es für möglich gehalten hätte.
Doch es war ein gewaltiger Unterschied und zehnmal so hart, in der echten Schlacht zu kämpfen, statt auf eine hypo thetische hin zu trainieren. Während der Ausbildung starben keine Menschen, gab es eine zweite Chance.
Rico trat einen Schritt zurück, und Moira fragte: »Woher wusstest du, dass ich hier bin?«
»Gar nicht. Ich kam lediglich als Erster her, um mir die Ruinen anzusehen.«
»Und welche Schlüsse ziehst du?«
Er blickte sich auf den Klippen um. »Ich weiß, dass du außer halb des Kreises stehst, den Fionas Zirkel gelegt hatte. Ich habe gesehen, wo die Pflanzen sterben. Und ich erkenne die Anzeichen, dass Dämonen hier waren, mächtige Dämonen. Die Fäulnis, die tote Erde, aber«, er sah sie ernst an, »ich fühle die Hölle nicht. Weder spüre ich die Hitze, noch sehe ich die Lava ströme. Ich bin des Bösen gewahr, weil ich sehe, was ich sehe, und es ist überwältigend, sofern man die Zeichen kennt. Und dennoch ist es nichtig verglichen mit dem, was du fühlst.«
»Woher weißt du, was ich fühle?«, flüsterte sie.
»Bevor er
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