Boardwalk Empire
Hearst Nucky androhte, er werde ihn fertigmachen, und wenn es das Letzte sei, was er tue.« 63
Aus Rache veröffentlichte Hearst in seinen Zeitungen etliche Enthüllungsberichte über die Korruption in Atlantic City, die Nucky als skrupellosen Tyrannen beschrieben. Nucky verbot daraufhin die Auslieferung der Zeitungen in der Stadt und schuf sich so einen Feind fürs Leben. Freunde von Nucky berichteten, Hearst hätte seine guten Kontakte zur Roosevelt-Administration genutzt, um Nucky das FBI auf den Hals zu hetzen. Laut Richard Jackson »steckte Hearst mit der Regierung unter einer Decke. Als die Bundesbeamten in die Stadt kamen, wusste jeder, dass er das durchgesetzt hatte.« 64
Im November 1936 kam Special Agent William Frank mit einer Gruppe von FBI-Agenten und Steuerfahndern nach Atlantic City, um dort verdeckt zu ermitteln. Ihr Stützpunkt war ein möbliertes Zimmer, von dem aus sie illegale Glücksspielbetriebe, Wettbüros, Lotterien und Freudenhäuser ausfindig machten. Indem sie Pferdewetten abschlossen und Lotterietickets erwarben, errechneten sie die ausgezahlten Gewinne. Durch Beobachtungen und aus Gesprächen mit Einwohnern kamen sie an die Namen der Schlüsselpersonen in Nucky Johnsons kriminellem Netzwerk.
William Frank und seine Mitarbeiter fanden schnell heraus, dass die Unterwelt in Atlantic City ein fester Bestandteil der etablierten Gesellschaft war und die illegalen Geschäfte keineswegs heimlich abgewickelt wurden. Die Pferdewettbüros befanden sich an zwei der belebtesten Straßen der Stadt, der Atlantic und Pacific Avenue, und ihre Türen standen jedem offen. Alle kannten die Bordelle, und niemand tat so, als wüsste er nicht, was dort passierte. Zudem nahmen fast alle Bürger an der auf Pferdewetten basierenden illegalen Lotterie teil – es war vergleichbar mit der heutigen staatlichen Lotterie. »Es war schwer, einen Laden zu finden, der keine Lose verkaufte«, berichtete William Frank. 65
Franks Ermittler fanden außerdem heraus, dass die Polizei nicht nur von den illegalen Aktivitäten wusste, sondern sie regulierte und protegierte. Franks Berichte veranlassten Finanzminister Robert Morgenthau, eine umfassende Prüfung von Atlantic City und Nucky Johnson anzuordnen, und die war alles andere als Dienst nach Vorschrift.
Nucky wusste, wie man mit der Steuerfahndung umsprang. Er hatte eine Technik entwickelt, bei der seine Einnahmen so gut wie keine Spuren hinterließen. Er führte weder Bücher noch Bilanzen, verfügte weder über Konten noch Aktienfonds und hielt keine Vermögenswerte. Er benutzte ausschließlich Bargeld. Damit machte es Nucky den Fahndern unmöglich, ihn auf direktem Wege zu belangen. Die vergangenen Jahre hatte er regelmäßig seine Steuererklärung abgegeben und sein Einkommen auf etwa 3 6 000 Dollar beziffert. Das Grundgehalt eines Schatzmeisters betrug 6000 Dollar, den Rest bezeichnete er als »andere Einnahmen«, deren Quellen weder er noch sein Assistent noch sein Steuerberater preisgaben. Nucky zwang so die Regierung dazu, erst mal ein nicht belegtes Einkommen von 3 0 000 Dollar im Jahr zu überprüfen. Sollten die Agenten in einem konkreten Fall den Fluss von Bestechungsgeldern nachweisen können, würde Nucky ihnen entgegenhalten, dass er die entsprechende Summe ordnungsgemäß versteuert hatte. Nucky verlangte von seinen Gefolgsleuten dasselbe Vorgehen, und so gaben seine engsten Vertrauten jedes Jahr pünktlich ihre Steuererklärung ab. Die Politiker versteuerten ordnungsgemäß ihr Gehalt, und die Gangster gaben sich als Handelsvertreter aus. Sie errechneten einen Betrag, der ihre Ausgaben und ein paar Ersparnisse deckte, und meldeten ihn beim Finanzamt an. Die illegalen Einnahmen trugen sie in der Sparte »Provisionen« ein. Die Beweislast lag also beim Staat, er musste die Steuerschulden durch externe Quellen belegen.
Ein anderes Problem war die Überwachung der Ermittler. In den ersten Monaten war Franks Truppe noch eine kleine, diskret arbeitende FBI-Einheit, aber sobald sich die Ermittlungen verdichteten und mehr Beamte zu dem Fall hinzugezogen wurden, observierte man sie rund um die Uhr. Die örtliche Polizei und die Staatsanwaltschaft waren Nucky treu ergeben. Sobald bekannte wurde, dass FBI und IRS in der Stadt waren, ließ Nucky die Bundesbeamten überwachen und sich von ihren Befragungen berichten. Er observierte sie intensiver als sie ihn, und seinen Bürgern machte er unmissverständlich klar, dass jeder, der mit den Behörden
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