Boardwalk Empire
alteingesessenen Bürger beinahe wie eine Entscheidung über Leben und Tod. Es war die letzte Gelegenheit, die Stadt vor dem endgültigen Ruin zu bewahren. Eine dritte Chance würde es nicht geben.
In der Politik zählt nichts mehr als Präsentation und Timing. McGahn und Perskie starteten ihren Neuversuch im Wahljahr 1976 , denn Präsidentschaftswahlen motivierten die Wähler häufig auch für andere Abstimmungen. McGahn und Perskie waren sich sicher, dass eine hohe Wahlbeteiligung ihrer Sache zugutekam. Sie wussten, dass es viele Wähler gab, die Kommunalwahlen mieden und sich nur an landesweiten Wahlen beteiligten. Sie waren meist schlecht informiert, kannten kaum die Wahlkampfthemen und wussten vermutlich 1974 noch nicht einmal über den Bürgerentscheid zum Thema Glücksspiel Bescheid. Eine gezielte Ansprache dieser Wählergruppe konnte 1976 den entscheidenden Unterschied ausmachen. Es handelte sich hierbei geschätzt um 0,3 Millionen Stimmen, und wenn man die mit den 25 0 000 Stimmen der älteren und behinderten Bürger zusammenlegte, konnte man die Wende im zweiten Bürgerentscheid schaffen.
Für den Erfolg waren ausreichende finanzielle Mittel und ein gut vorbereiteter Wahlkampf unerlässlich. Indem man die Kasinos wieder privaten Betreibern überließ, erledigte sich die Finanzierung praktisch von selbst. 1974 hatte es nur acht große Wahlkampfunterstützer mit jeweils 5000 Dollar gegeben, 1976 waren es schon 33. Noch bedeutender waren die Mittel von außerhalb. Hatten die außerstädtischen Spenden 1974 gerade mal 1 0 000 Dollar ausgemacht, lagen sie jetzt deutlich über 50 0 000 Dollar. Ganze 43 Prozent der Wahlkampfgelder stammten von auswärtigen Geschäftsleuten, die auf den Erfolg der Kasinos in Atlantic City spekulierten. Das meiste Geld kam von einem kleinen und kaum bekannten Unternehmen auf den Bahamas: Resorts International steuerte mehr als 25 0 000 Dollar bei. Hatten die Kasino-Befürworter 1974 noch weniger als 60 0 000 Dollar aufgetrieben, waren es 1976 über 1,3 Millionen. Es würde jetzt nicht mehr schwerfallen, einen gewieften Promoter zu finden, der die Wähler zu überzeugen wusste.
Die Suche nach einem professionellen Wahlkampfstrategen begann Anfang Mai, nachdem das Parlament den zweiten Bürgerentscheid genehmigt hatte. Als die Finanzierungsgrundlagen geklärt waren, gründete sich das »Committee to Rebuild Atlantic City« (CRAC, »Komitee zum Wiederaufbau Atlantic Citys«), und man entwickelte sich in Windeseile zu einer schlagkräftigen Truppe ohne den Dilettantismus des ersten Versuchs. Die parteiübergreifende Initiative umfasste neben McGahn und Perskie folgende Personen: den Präsidenten der Atlantic City National Bank James Cooper, den Geschäftsmann Murray Raphael, den Verleger der Atlantic City Press Charles Reynolds, dessen Zeitung fast 5 0 000 Dollar beigesteuert hatte, die Hotelbetreiberin Mildred Fox, die sich von Anfang an für die Legalisierung des Glücksspiels eingesetzt hatte, Joe McGahns Bruder Pat, der über beste Kontakte zu demokratischen Kreisen verfügte, den Versicherungshändler und erfolgreichen Spendensammler Frank Siracusa und zu guter Letzt Hap Farley. Ihn hatte man beim ersten Mal noch nicht dabeihaben wollen.
Farley kam eher zufällig zu CRAC. Steve Perskie hatte sich an den Vorsitzenden der Republikaner von Atlantic County, Howard »Fritz« Haneman gewandt, den Sohn von Farley-Intimus Vincent Haneman. Fritz Haneman fädelte ein Treffen zwischen ihm, seinem Vater und Perskie ein. Kurz vor dem Treffen wurde er allerdings krank. Weil er wusste, wie wichtig Hap für die Kampagne war, traf sich Perskie auf Hanemans Rat hin direkt mit ihm. Farley empfing den Neffen seines Erzfeindes anders, als Steven Perskie sich das vorgestellt hatte: »Er war sehr freundlich und bat mich, ihn im Hintergrund mitarbeiten zu lassen, weil er uns so mit seinen Kontakten auf Bundesstaatsebene am besten helfen könnte.«
Perskie und das Komitee waren heilfroh über Farleys Hilfe, denn der empfing plötzlich viel privaten Besuch, rief unzählige Leute an, traf sich ständig mit Personen der Führungsebene beider Parteien, und jetzt konnten sich eine Menge Leute für die Gefallen, die er ihnen in seinen 34 Jahren Amtszeit erwiesen hatte, revanchieren. Das Referendum von 1976 wurde nun ausschließlich von starken Persönlichkeiten ins Feld geführt. Es fehlte nur noch der geeignete Wahlkampfmanager.
Sanford Weiner war so etwas wie ein moderner John Young – er konnte jedem
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