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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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Polizeirevier. »Belästigung« war ein Ordnungsdelikt, kein Vergleich mit Nötigung. Mit ein bisschen Glück käme ich mit einer kleinen Geldstrafe davon, sozusagen als erzieherischer Klaps auf die Finger. Bei Nötigung hätte ich schlechte Karten gehabt. Das ist wie versuchte Körperverletzung, ein schweres Vergehen, das entsprechend bestraft wird. Dafür hätte ich tatsächlich im Knast landen können. Das Ganze war gut ausgegangen, so musste ich es sehen und so wollte ich es sehen. Trotzdem war ich sauer über die Ungerechtigkeit, die mir da widerfahren war. Die Polizei hatte mir das Protokoll ausgehändigt, und es gab überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen mir und dem von Zeugen beschriebenen Spucker. Ich nahm mir vor, diese Papiere aufzuheben. Vielleicht konnte ich sie wegen unrechtmäßiger Verhaftung verklagen.
    Von Erleichterung beflügelt, machte ich mich auf den Heimweg. Ich hatte gerade noch mal die Kurve gekriegt. Ich wusste nur noch nicht, wohin sie führen würde.
    Jetzt musste ich nur noch den Gerichtstermin überstehen. Deshalb fuhr ich in den nächsten Tagen zu einem Bürger-Beratungszentrum, um mich rechtlich beraten zu lassen. Wahrscheinlich hätte ich das schon früher tun sollen, aber meine Verhaftung hatte mich so verstört, dass ich keinen klaren Gedanken mehr hatte fassen können. Es stellte sich heraus, dass mir kostenfreier Rechtsbeistand zustand, weil ich als Teilnehmer eines Drogen-Entzugsprogrammes und Mieter einer Sozialwohnung die Bedürftigkeitskriterien erfüllte. Einen Anwalt, der mich vor Gericht vertrat, fand ich aber für meine Sache zu übertrieben. Ich wollte nur hören, wie ich mich bei Gericht verhalten sollte.
    Es klang ganz einfach. Ich musste mich schuldig bekennen, also zugeben, dass ich illegal Straßenmusik gemacht hatte. Und dann darauf hoffen, dass der Richter kein Sadist war, der Straßenmusiker hasste.
    Am Tag der Verhandlung zog ich über mein frisches T-Shirt mit der Aufschrift »Extrem unglücklich« auch noch ein sauberes Hemd und rasierte mich. Die Wartezone vor dem Gerichtssaal war überfüllt. Da waren finstere Gestalten mit kahlen Skinhead-Köpfen, die sich mit osteuropäischen Akzenten unterhielten, aber auch ein paar Geschäftsmänner im Anzug, die auf ihre Verhandlung wegen Fahrdelikten warteten.
    »James Bowen. Das Gericht ruft Mr. James Bowen« tönte nach kurzer Wartezeit eine vornehme Stimme über den unsichtbaren Lautsprecher. Ich holte tief Luft und betrat den Gerichtssaal.
    Der Friedensrichter beäugte mich wie ein Stück Dreck, das versehentlich von der Straße in seinen sauberen Gerichtssaal geblasen worden war. Aber nach dem Gesetz konnte er mir nicht viel anhaben. Vor allem, da dies mein erstes Vergehen dieser Art war.
    Sie entließen mich mit drei Monaten auf Bewährung und ohne Geldstrafe. Der Richter schärfte mir aber ein, dass ich beim nächsten Mal mit einer Geldstrafe oder sogar einer Verhaftung zu rechnen hatte.
    Belle und Bob warteten vor dem Gerichtsgebäude auf mich. Als Bob mich kommen sah, sprang er von Belles Schoß und kam mir entgegen. Er bemühte sich sehr, cool zu bleiben. Aber seine übermütig blitzenden Augen verrieten mir, wie froh er war, mich zu sehen.
    »Und? Wie ist es gelaufen?«, wollte Belle wissen.
    »Drei Monate auf Bewährung, aber wenn sie mich noch mal erwischen, bin ich dran«, informierte ich sie.
    »Oh! Und was machst du jetzt?«, fragte sie.
    Ich sah sie nur an, dann wanderte mein Blick hinunter zu Bob. Die Antwort stand mir wohl ins Gesicht geschrieben.
    Ich war am Ende. Meine Zeit als Straßenmusiker war vorbei. Fast zehn Jahre hatte ich vorwiegend davon gelebt. Aber die Zeiten hatten sich geändert, genau wie mein Leben. Vor allem, seit Bob bei mir war. In letzter Zeit hatte ich schon oft darüber nachgedacht, die Straßenmusik an den Nagel zu hängen. Manchmal reichte das Geld nicht mehr für das Nötigste. Und immer öfter gerieten wir in Situationen, die mich – und vor allem auch Bob – in Gefahr brachten. Dazu kam jetzt auch noch diese Bewährungsauflage, die mich noch mehr einschränkte. Sollten sie mich noch einmal erwischen, würden sie mich ins Gefängnis stecken. Das war mir die Sache nicht wert.
    »Ich weiß nicht, was ich tun werde, Belle«, antwortete ich nachdenklich. »Aber eines weiß ich bestimmt: Ich hänge die Straßenmusik an den Nagel!«

12
    Nummer 683
    I n den nächsten Tagen rauchte mir der Kopf vom vielen Nachdenken. Ich war immer noch wütend wegen der Ungerechtigkeit, die mir

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