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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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widerfahren war. Ich hatte tatsächlich meine Existenz verloren, nur weil sich ein paar missgünstige Mitmenschen gegen mich verschworen hatten. Trotzdem versuchte ich, die Sache als Glück im Unglück zu betrachten.
    Mir war schon lange klar, dass ich nicht für den Rest meines Lebens als Straßenmusiker durch London ziehen konnte. Mit den Liedern von Johnny Cash und Oasis, die ich an belebten Straßenecken zum Besten gab, würde ich es nicht weit bringen. Meine Gitarre würde mir auch nicht helfen, von meiner Ersatzdroge Methadon loszukommen. Endlich begriff ich, dass ich am bedeutendsten Wendepunkt meines Lebens stand. Hier war sie, meine Chance, endlich mit der Vergangenheit abzuschließen. So weit war ich schon öfter in meinem Leben gewesen, aber zum ersten Mal war ich bereit und mehr als willig, sie zu ergreifen.
    Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen. Aber den Vorsatz in die Tat umzusetzen, eine neue Perspektive zu finden, das war schwierig. Ich kannte die brutale Wahrheit: Ich hatte nicht viele Möglichkeiten, denn mir fehlte die Ausbildung. An dieser Hürde war ich schon oft gescheitert. Die zentrale Frage war: Wie sollte ich Geld verdienen? Wer würde mir Arbeit geben? Nicht, dass ich dumm war. Durch meinen einstigen Job in der IT -Branche in Australien hatte ich Computerkenntnisse. Auch in England hatte ich immer wieder viel Zeit am Laptop von Freunden oder am Computer der Bibliothek verbracht. Ich hatte mich auf dem Laufenden gehalten. Aber mit Referenzen oder nachweisbarer »Erfahrung« konnte ich nicht aufwarten. Und wenn ich tatsächlich bis zu einem Bewerbungsgespräch kommen sollte, würde ich früher oder später die Frage beantworten müssen, wo ich in den letzten zehn Jahren gearbeitet habe. »Weder bei Google noch bei Microsoft.« Diesen Traum konnte ich abhaken.
    Es hatte auch keinen Sinn, sich um eine Computer-Fortbildung zu bewerben. Ich steckte immer noch im Drogen-Rehabilitationsprogramm, lebte in einer Sozialwohnung und hatte keinen Schulabschluss. Selbst wenn das Arbeitsamt wollte, sie hätten mir nicht helfen können. So sehr ich mir auch den Kopf zerbrach, letztendlich musste ich mir eingestehen, dass ich für jeden normalen Job unvermittelbar war. Was man auch immer unter »normal« verstehen mag.
    Es gab nur eine realistische Alternative. Denn leider konnte ich es mir nicht leisten, mich entspannt zurückzulehnen und auf ein Wunder zu warten. Ich musste Geld verdienen – für mich, aber auch für Bob. Nach zwei Tagen, die ich grübelnd zu Hause verbracht hatte, schnappte ich Bob und fuhr mit ihm nach Covent Garden, zum ersten Mal seit Jahren ohne meine Gitarre. Auf der großen Piazza angekommen, steuerte ich zielstrebig auf die Stelle zu, an der ich Sam vermutete. Sie war die Bezirksleiterin für Covent Garden der Obdachlosenzeitung The Big Issue.
    Von 1998 bis 1999 hatte ich schon mal versucht, als Zeitungsverkäufer zu arbeiten. Das war die Zeit, als ich gerade auf der Straße gelandet war. Ich holte mir meine Zulassung und arbeitete in dem Gebiet zwischen Charing Cross und Trafalgar Square. Ich war nicht sehr erfolgreich. Es war schwierig, die Zeitschriften loszuwerden, und ich habe nur ein paar Monate durchgehalten.
    Mein größtes Problem bei dem Versuch, The Big Issue zu verkaufen, war schon damals die Unfreundlichkeit der Leute. Immer wieder musste ich mir blöde Kommentare anhören wie: »Such dir einen Job!«
    Damals hat mich das fertiggemacht. Die Leute haben nicht kapiert, dass Zeitungsverkäufer ein Job ist. Mehr als das, denn als Big-Issue -Verkäufer ist man selbstständiger Geschäftsmann. Ich hatte Kosten, denn ich musste die Zeitschriften kaufen, um sie weiterverkaufen zu können. Vom Verkaufserlös musste ich den Einkaufspreis für die nächsten Magazine abziehen. Denn neue Zeitschriften gab es nur gegen Bargeld. Wie jeder Selbstständige musste ich erst Geld investieren, um Geld zu verdienen.
    Leider glauben die meisten Leute, dass dies ein Wohltätigkeitsjob ist und die Verkäufer die Zeitungen geschenkt bekommen. Wenn das der Fall wäre, würde jeder viel mehr Exemplare zum Verkaufen vor sich liegen haben. The Big Issue verfolgt eine ganz andere Strategie. Sie wollen Menschen helfen, sich selbst zu helfen. Bei meinem ersten Anlauf war ich nicht sicher, ob ich Hilfe wollte. Ich war noch nicht soweit.
    Ich erinnere mich noch gut an die vielen kalten Tage, die ich, vom Regen durchnässt, an einer windigen Straßenecke saß. Mit Engelszungen habe ich

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