Bob, der Streuner
etwas geboten bekam, konzentrierte sich hier in Islington die gesamte Händler- und Künstlerschar rund um die Angel Station. Das Ergebnis war eine Menge Konkurrenz. Da waren Leute, die kostenlose Magazine verteilten, und Freiwillige von diversen Wohltätigkeitsorganisationen, die für ihren guten Zweck sammelten. Vor zehn Jahren, als ich mit der Straßenmusik angefangen hatte, war hier noch viel weniger los gewesen.
Die Spendensammler waren meist übereifrige junge Leute. Sie pickten sich gut betuchte Pendler und Touristen aus der Menge und beschwatzten sie so lange, bis sie eine Einzugsermächtigung für regelmäßige Abbuchungen von ihrem Bankkonto unterschrieben. Für mich grenzte das schon an Stehlen für einen guten Zweck. Die einen sammelten für die Dritte Welt, die anderen für die Erforschung von Krankheiten wie Krebs, Mukoviszidose oder Alzheimer. Das war ihr gutes Recht, aber ihre Aufdringlichkeit ging mir auf die Nerven. Natürlich hatte auch ich meine Taktik, um The Big Issue an den Mann zu bringen. Aber die Zudringlichkeit und Penetranz dieser Leute ging mir gegen den Strich. Sie liefen den Passanten hinterher und zwangen ihnen Gespräche auf, die niemand führen wollte.
Täglich musste ich zusehen, wie Pendler aus dem U-Bahnhof kamen, die aggressiven Sammler in ihren grellfarbigen T-Shirts erblickten und schlichtweg die Flucht ergriffen. Da alle diese Passanten auch potenzielle Big-Issue- Kunden waren, machte mich das richtig sauer.
Wenn einer dieser jungen Wilden meinem Verkaufsplatz zu nahe kam, knöpfte ich mir den Übereifrigen vor. Manche von ihnen waren einsichtig. Sie zeigten Respekt und hielten Abstand zu meinem Standort. Aber leider nicht alle.
Ich hatte eine ernste Auseinandersetzung mit einem jungen Studenten, dessen Lockenkopf mich an den Musiker Marc Bolan von T. Rex erinnerte. Er verärgerte die Passanten, indem er sie umkreiste, sie aufhielt und auch dann noch weiter neben ihnen herlief, wenn sie ganz offensichtlich versuchten, ihn abzuschütteln. Ich konnte das nicht länger mit ansehen.
»Hör mal, Kumpel, so wie du dich aufführst, vergraulst du auch allen anderen hier die Kunden«, versuchte ich es zuerst auf die sanfte Tour. »Kannst du bitte etwas weiter weggehen?«
Leider fühlte er sich gleich angegriffen. »Ich habe jedes Recht, hier zu sein«, verteidigte er sich. »Du hast mir keine Vorschriften zu machen, und ich kann bleiben, wo ich will!«
Offenbar musste ich deutlicher werden, um zu diesem jungen Wilden durchzudringen. Ich machte ihm klar, dass ich hier versuchte, Geld zu verdienen, um meine Rechnungen zu bezahlen und um Bob und mir das Dach über dem Kopf zu erhalten. Für ihn dagegen war es nur ein kleiner Nebenjob, mit dem er in der Zeit zwischen Schule und Universität sein Taschengeld aufbessern wollte.
Das nahm ihm den Wind aus den Segeln.
Aber es gab noch eine andere Gruppe, die mir das Leben schwer machte: Die Verteiler von Gratis-Magazinen wie StyleList und ShortList, leider sehr ansprechende, gut gemachte Zeitschriften. Ein echtes Problem für mich, denn die Frage war: Warum sollten Kunden für mein Magazin bezahlen, wenn es zwei Schritte weiter ein ebenso gutes umsonst gab?
Sobald einer dieser Gratis-Verteiler in meine Nähe kam, versuchte ich, ihm mein Dilemma zu erklären: »Hör mal, ich verdiene nur Geld, wenn ich meine Zeitschriften verkaufe. Also bitte, lass mich leben und gib mir den nötigen Freiraum. Am besten, du hältst mindestens sechs Meter Abstand.«
Meine Bitte war nicht immer erfolgreich, vor allem, weil viele dieser Verteiler kein Englisch sprachen. Die einen verstanden mich nicht, und die anderen hatten keine Lust, mir zuzuhören.
Am nervigsten waren allerdings die Sammeldosen-Schüttler. Bewaffnet mit großen Plastikdosen, tauchten sie auf, um für einen aktuellen Notfall Spenden zu sammeln.
Nur um das gleich klarzustellen, ich befürwortete Spendenaktionen: Afrika, Umweltschutz, Tierschutz, alles ehrenwerte und wichtige Projekte. Aber wenn es stimmt, dass eine Menge von diesem Geld in die eigenen Taschen gewisser Dosenschüttler wandert, hält sich mein Mitleid in Grenzen. Viele von ihnen hatten keine Lizenz zum Sammeln und auch keinen entsprechenden Ausweis. Die laminierten Kärtchen, die sie um den Hals gehängt trugen, hätten genauso gut von einem Kindergeburtstag stammen können. Sie sahen ziemlich unprofessionell aus.
Die Dosenschwenker durften sogar in die U-Bahn-Halle. Ein heiliger Ort, den kein Big-Issue -Verkäufer
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