Bob, der Streuner
würde, damit es mir besser ginge. Wie ein Mantra betete ich mir vor: »Ich werde das schaffen.« Es war die letzte und alles entscheidende Hürde, um diese verdammte Abhängigkeit zu überwinden. Der Zeitpunkt war perfekt, um diesen Teufelskreis endlich zu durchbrechen.
Ich habe mir die traurige Wahrheit endlich eingestanden. Seit zehn Jahren war ich süchtig. All die vielen vergeudeten Lebensjahre! Ich hatte wertvolle Zeit verschwendet, so viele Tage nutzlos an mir vorüberziehen lassen. Wenn man auf Drogen ist, werden Minuten zu Stunden und Stunden zu Tagen. Man verliert jegliches Zeitgefühl. Alles ist egal. Zeit wird erst wieder wichtig, wenn man den nächsten Schuss braucht.
Dann ist man in Zeitnot. Weil man an nichts anderes mehr denken kann, als Geld für den nächsten Schuss zu beschaffen. Seit meiner Heroinabhängigkeit vor vielen Jahren hatte ich dennoch viel erreicht. Dank dem Drogen-Rehabilitationsprogramm hatte ich die Chance auf einen Neuanfang bekommen. Dafür war ich sehr dankbar, aber es war Zeit, mehr von mir zu fordern. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll von den täglichen Apothekenbesuchen und von den regelmäßigen Terminen in der Drogenambulanz. Da wurde unter anderem jedes Mal überprüft, ob ich auch nicht rückfällig geworden war. Es war genug. Mein Leben ging mich wieder etwas an. Es war Zeit für eine Veränderung.
Ich hatte darauf bestanden, diesen schwierigen Medikamentenwechsel allein durchzustehen. Man hat mir zwar mehr als einmal empfohlen, Narcotics Anonymous beizutreten. Das ist eine Selbsthilfegruppe für genesende Süchtige, die sich gegenseitig helfen, von den Drogen wegzubleiben. Aber ich konnte mich mit deren Zwölf-Stufen-Programm nicht anfreunden. Ihre »spirituellen Prinzipien« waren nicht mein Ding. Ich konnte mit der versteckten religiösen Botschaft, so etwas wie »Selbstaufgabe für Gott«, nichts anfangen.
Vielleicht machte ich mir das Leben schwerer als nötig, weil ich diese achtundvierzig Stunden ohne Hilfe durchziehen wollte. Aber allein war ich nicht, ich hatte ja Bob.
Wie immer hatte ich ihn bei meinem Termin in der Drogenambulanz zu Hause gelassen. Ich wollte ihm diesen schrecklichen Ort nicht zumuten. Ich war alles andere als stolz auf diesen Teil meines Lebens, auch wenn ich seit meinem ersten Besuch schon viel erreicht hatte.
Als ich nach Hause kam, wurde ich von Bob freudig begrüßt. Vielleicht lag es aber auch an der verführerisch duftenden Einkaufstüte, die ich mitgebracht hatte. Ich hatte uns im Supermarkt mit den nötigen Lebensmitteln und diversen Leckereien eingedeckt, um die nächsten beiden Tage abgeschottet von der Außenwelt zu Hause verbringen zu können. Jeder, der schon mal versucht hat, sich ein Laster abzugewöhnen, weiß, wie das ist. Ob Zigaretten oder Alkohol – die ersten achtundvierzig Stunden sind die schlimmsten. Man ist seine Rituale so gewöhnt, dass man an nichts anderes mehr denken kann. Man muss sich also ablenken, und genau das hatte ich vor. Deshalb war ich auch so froh, dass Bob bei mir war. Er würde mir helfen durchzuhalten. Gegen Mittag machten wir es uns auf der Couch vor dem Fernseher gemütlich, und ich wartete.
Die Wirkung von Methadon hält etwa zwanzig Stunden an. Somit war dieser erste Tag noch sehr entspannt. Ich spielte viel mit Bob, und wir machten einen kleinen Spaziergang, damit er sein Geschäftchen erledigen konnte. Danach spielte ich eine ganz alte Version des Computerspiels »Halo 2« auf meiner altersschwachen XB ox. Noch war die See ruhig. Aber der Sturm würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Die berühmteste Nachstellung von Entzugserscheinungen findet man in dem Film Trainspotting . Darin spielt Ewan McGregor die Rolle des Mark Renton, der im Film einen kalten Heroinentzug durchzieht. Dazu lässt er sich mit genug Nahrung und Getränken für ein paar Tage in einem Zimmer einschließen. Er durchlebt die schrecklichsten psychischen und physischen Schmerzen, die man sich nur vorstellen kann. Zittern, Halluzinationen, Übelkeit bis zum Erbrechen und was sonst noch dazugehört. Wer den Film gesehen hat, erinnert sich bestimmt an die Szene, in der er sich vorstellt, wie er in die Kloschüssel kriecht.
Die nächsten Stunden waren zehn Mal schlimmer als diese Filmszene. Aber ich hatte auch ähnliche Symptome.
Der Entzug setzte ziemlich genau vierundzwanzig Stunden nach meiner letzten Dosis Methadon ein. Nach weiteren acht Stunden war ich schweißgebadet und konnte nicht mehr
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