Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
Vom Netzwerk:
heruntergelassen und ein Metallgegenstand blitzte in seiner Hand auf. Ich wusste sofort, was er tat.
    Unser Wohnblock hatte früher einen ziemlich schlechten Ruf, er war als Treffpunkt für Drogensüchtige und Dealer verschrien. Sie hingen im Treppenhaus und in den Fluren herum, rauchten Crack und Marihuana oder setzten sich einen Schuss, genau wie dieser Typ hier. In den letzten Jahren hatte die Polizei zwar hart durchgegriffen und aufgeräumt, aber manchmal erwischte man im Treppenhaus immer noch Jugendliche bei ihren Drogengeschäften. Alles viel harmloser als die Zustände in dem Sozialbau in Dalton, in dem ich früher gelebt hatte. Dort hatte es nur so gewimmelt von Cracksüchtigen. Aber für die Familien mit Kindern, die hier lebten, war das verständlicherweise immer noch zu viel. Wer will schon, dass seine Kinder im Hausflur über Junkies stolpern, die sich gerade den nächsten Schuss setzen?
    Mir waren diese Typen unangenehm, weil sie mich ständig an meine Drogenzeit erinnerten. Als Ex-Junkie kämpft man jeden Tag darum, clean zu bleiben. Heroin ist eine Bestie, die sich festkrallt und nie wieder loslässt. Den Entzug hatte ich hinter mir. Als Bob in mein Leben getreten war, hatte ich auch mental den Absprung geschafft. Ich stand kurz vor dem Ziel.
    Mit seiner Hilfe habe ich die Ersatzdroge Methadon abgesetzt. Noch nahm und reduziere ich Subutex, ein Medikament, das mir die letzte Hürde des Entzugs erleichtert. Der psychologische Berater in meiner Drogenambulanz hat diesen letzten Teil der Entzugsphase mit der Landung eines Flugzeuges verglichen. Mithilfe von Subutex würde ich ganz sanft landen. Ich nahm es bereits seit einigen Monaten. Das Fahrwerk war bereits ausgefahren und ich konnte schon die Lichter auf der Landebahn sehen. Der Landeanflug verlief planmäßig, und ich stand kurz davor aufzusetzen.
    Das würde ich jetzt lieber nicht sehen , dachte ich noch.
    Der Mann war etwa um die vierzig Jahre alt und hatte den Bürstenhaarschnitt eines Soldaten. Er trug einen schwarzen Mantel, T-Shirt, Jeans und abgetragene Turnschuhe. Zum Glück reagierte er nicht aggressiv, als er mich sah. Die Sache war ihm sogar äußerst peinlich. Das war ungewöhnlich. Mitgefühl ist keine verbreitete Eigenschaft unter Heroinsüchtigen.
    »Tut mir leid, Kumpel, ich verschwinde schon«, stammelte er. Er sprach mit einem ausgeprägten Londoner East-End-Dialekt. Dabei zog er sein »Werkzeug« aus dem Bein und die Hosen hoch. Ich erkannte sofort, dass ich ihn nicht unterbrochen hatte, denn seine Augen glänzten verräterisch.
    Ich ließ ihm den Vortritt. Schlechte Erfahrungen hatten mich gelehrt, einem Süchtigen niemals zu vertrauen. Wenn er vor mir herging, konnte ich ihn im Auge behalten.
    Er war ziemlich wackelig auf den Beinen und stolperte unsicher die Treppen hoch und durch die Tür in den Flur der fünften Etage Richtung Aufzug.
    Bob war die letzten Stufen hinter mir hergelaufen. Ich hatte mir seine Leine geschnappt und wollte ihn schnell in die sichere Wohnung lassen. Als ich aufgesperrt hatte und Bob gerade die Tür aufhielt, hörte ich den Mann stöhnen. Ich drehte mich nach ihm um und sah, wie er zusammenbrach. Wirklich, er kippte um wie ein lebloser Sack Kartoffeln. Es gab einen dumpfen Aufprall, als sein Kopf auf dem harten Fliesenboden aufschlug.
    »Hallo? Alles okay mit dir?«, rief ich und rannte zu ihm. Aber er war ganz und gar nicht okay. Es ging ihm sogar extrem schlecht. Er schien nicht mehr zu atmen.
    Ich erkannte die Symptome sofort: »O Mann, Überdosis!«, murmelte ich entsetzt.
    Zum Glück hatte ich mein billiges Nokia-Handy dabei. Mit zittrigen Fingern wählte ich die 112 und rief einen Krankenwagen. Die Dame in der Notrufzentrale nahm meine Adresse auf und informierte mich dann, dass es mindestens zehn Minuten dauern würde, bis ein Krankenwagen bei uns wäre.
    »Bitte beschreiben sie mir seinen Zustand«, sagte sie mit kühler, professioneller Stimme.
    »Er ist ohnmächtig, und er atmet nicht mehr«, rief ich verzweifelt. »Und seine Haut verfärbt sich.«
    »Okay, das klingt, als würde sein Herz nicht mehr schlagen. Sie müssen versuchen, ihn wiederzubeleben. Wissen Sie, wie das geht?«, fragte sie ruhig.
    »Ja, so ungefähr. Aber ich brauche genaue Anweisungen. Können sie mir helfen?«
    Die Stimme aus dem Telefon erklärte mir genau, was zu tun war: Zuerst brachte ich den Bewusstlosen in Seitenlage und vergewisserte mich, dass seine Atmungsorgane nicht blockiert waren. Um sein Herz wieder zu

Weitere Kostenlose Bücher