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Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
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presste sich noch enger als sonst gegen meinen Nacken.
    Mir graute davor, an der Bushaltestelle eine halbe Stunde herumstehen zu müssen, aber wir hatten Glück. Unser Bus kam bereits nach wenigen Minuten und wir konnten einsteigen. Die Heizung unter meinem Sitz verbesserte meine Laune sofort. Aber nicht für lange.
    Wir waren noch keine zehn Minuten unterwegs, als die ersten Schneeflocken durch die Luft wirbelten. Zuerst waren es nur wenige, aber innerhalb von Sekunden war die Luft voller dicker, weißer Flocken, die sofort den Boden und die Dächer der parkenden Autos bedeckten.
    »Das können wir gar nicht brauchen«, sagte ich zu Bob, der völlig selbstvergessen die wunderbare Verwandlung beobachtete, die sich vor dem Busfenster vollzog.
    Als wir in Newington Green angelangt waren, etwa einen Kilometer von Angel entfernt, war der Verkehr bereits zusammengebrochen. Ich stand vor einer schweren Entscheidung: Es würde schwierig sein, bei diesem Wetter ein paar Pfund zu verdienen, aber ich war so pleite, dass ich mir nicht mal mehr die Busfahrkarte zurück nach Hause leisten konnte, geschweige denn die nötigen Münzen für die Uhren, damit wir das Wochenende in einer warmen Wohnung verbringen konnten.
    »Komm, Bob, ich glaube, wir laufen den letzten Kilometer, wenn wir heute noch etwas verdienen wollen«, sage ich widerstrebend.
    Erst als wir ausstiegen, bemerkte ich, dass die Fußgänger mehr vorwärts schlitterten als gingen; der Boden war gefährlich glatt. Für Bob dagegen war das eine faszinierende neue Welt, die er unbedingt erforschen wollte. Ich hatte ihn wie üblich auf meine Schulter gesetzt, aber schon nach wenigen Metern tänzelte er unruhig auf meinen Schultern herum, weil er auf den Boden wollte.
    Ich hatte gar nicht daran gedacht, aber tatsächlich sah Bob an diesem Tag zum ersten Mal Schnee. Zumindest seit wir beide zusammen waren. Ich stand da und sah ihm zu, wie er vorsichtig eine Pfote in die fluffige weiße Masse steckte und dann verwundert zurücktrat, um den Abdruck zu betrachten, den seine Pfote in der unberührten Schneedecke hinterlassen hatte. Einen Moment lang fragte ich mich, wie es wohl wäre, die Welt mit seinen Augen zu sehen. Es muss ihm schon sehr befremdlich vorgekommen sein, dass plötzlich alles von weißem, kaltem Flausch bedeckt war.
    »Na, komm schon, Bob. Wir können nicht den ganzen Tag hier rumhängen und spielen«, drängte ich nach ein paar Minuten zum Weitergehen.
    Inzwischen fielen die Flocken so dicht, dass man kaum noch die Hand vor Augen sah.
    Es machte Bob weiterhin immensen Spaß, mit spitzen Pfoten durch die immer höher werdende Schneedecke zu staksen. Es dauerte nicht lange, und der Schnee türmte sich hoch genug, dass sein Bauchfell voller weißer Kristalle war.
    »Jetzt reicht es, Kumpel, komm hoch!« Dabei schnappte ich ihn und setzte ihn zurück auf meine Schulter.
    Es schneite so stark, dass sich die weiße Pracht nun auch auf uns beiden türmte. Alle paar Meter musste ich Bob und mich abklopfen.
    Dann erinnerte ich mich an einen alten, verbogenen Regenschirm in meinem Rucksack. Aber wegen des starken Windes brachte er so gut wie gar nichts, und ich gab es schnell auf, mich mit dem aufgespannten Ungetüm herumzuschlagen. »Es hilft alles nichts, Bob, wir brauchen einen Mantel für dich«, sagte ich.
    Im nächstgelegenen Kramladen stampfte ich mir am Eingang erst einmal den Schnee von den Schuhen. Scheinbar jagte unser Anblick der indischen Inhaberin einen schönen Schrecken ein. Nachvollziehbar, so skurrile Kunden kamen bestimmt nicht jeden Tag in ihren Laden. Aber sie fing sich schnell wieder.
    »Ihr seid aber tapfer, bei diesem Wetter draußen rumzulaufen«, lächelte sie.
    »Also, tapfer würde ich das nicht nennen, verrückt würde es wohl eher treffen«, gab ich zur Antwort.
    Ich wusste nicht so recht, wonach ich eigentlich suchte. Zuerst wollte ich einen neuen Schirm kaufen, aber die waren viel zu teuer für mich. Ich hatte nur noch etwas Kleingeld in der Tasche. Aber dann kam mir die rettende Idee. Ich ging zu dem Regal mit den Küchenutensilien. Da lag eine Rolle mit kleinen, extrastarken Müllbeuteln.
    »Das sollte funktionieren, Bob«, flüsterte ich.
    »Wie viel kostet einer von diesen Müllbeuteln?«
    »Ich kann die nicht einzeln verkaufen. Die Rolle kostet zwei Pfund«, antwortete sie.
    So viel wollte ich nicht ausgeben. Ich war wirklich pleite. Aber dann entdeckte ich an der Kasse kleine schwarze Plastiktüten für die Einkäufe der

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