Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bob und wie er die Welt sieht

Bob und wie er die Welt sieht

Titel: Bob und wie er die Welt sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bown
Vom Netzwerk:
Trafalgar Square unterwegs waren, um die Parade der bunt geschmückten Riesenwagen, überladen mit Transvestiten und lasziven Tänzern in ihren spektakulären Fantasiekostümen, nicht zu verpassen.
    Ich hatte mir vorgenommen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ich sah mir die Motivwagen und fantastischen Kostüme an und verkaufte dabei meine Magazine an einem Verkaufsplatz an der Oxford Street in der Nähe der U-Bahn-Station Oxford Circle.
    Es war ein lukrativer Arbeitstag für jeden Big Issue -Verkäufer, und als »Besucher« aus Islington war ich sehr vorsichtig und beachtete alle Regeln. Es gibt Verkaufsplätze, wie meiner an der Angel Station, die sind einem einzigen Verkäufer zugeteilt. Aber es gibt auch solche, die jeder Big Issue -Verkäufer nutzen kann, solange er gerade frei ist. Ich passte auch genau auf, dass mir keiner beim Verkaufen »Flanieren« vorwerfen konnte. Für dieses »Vergehen« hatte ich schon einmal schwer gebüßt, und das wollte ich nicht noch einmal durchmachen.
    In den letzten zehn Jahren, die ich auf der Straße verbracht hatte, war aus einem kleinen, bescheidenen politischen Protestmarsch eines der größten Straßenfeste der Stadt geworden. Nur der Karneval in Notting Hill war noch spektakulärer. In diesem Jahr waren vier- bis fünfmal so viele Zuschauer gekommen wie im Vorjahr. Alle waren bester Laune, und das galt auch für Bob.
    Er war Menschenmassen gewöhnt. Früher hatte er vor Menschen in seltsamen Kostümen Angst gehabt. Er war sogar einmal panisch davongelaufen, als uns ein Promoter von »Ripley’s unglaublicher Welt« am Piccadilly Circus in einem fett aufgeblasenen, überdimensionalen Kostüm zu nahe kam. Aber in all den Jahren auf den Straßen von London und besonders von Covent Garden war seine Furcht geschwunden. Er hatte so viel gesehen: verrückte, metallfarbig bemalte menschliche Statuen, französische Feuerschlucker und gigantische Drachen beim chinesischen Neujahrsfest. Heutzutage gab es keine Grenzen mehr, was die ausgefallenen Kostüme oder Lärmbelästigungen mit Blasinstrumenten und schrillen Pfeifen anging, aber Bob konnte nichts mehr erschüttern. Er saß sicher auf meiner Schulter, beobachtete interessiert die Party-Atmosphäre um uns herum und genoss die Aufmerksamkeit, die er von den vorbeiziehenden Massen bekam. Erstaunlich viele kannten seinen Namen und wollten sich mit uns beiden fotografieren lassen. Ein oder zwei Leute sagten sogar, sie freuten sich schon auf unser Buch.
    »Das muss aber erst noch geschrieben werden«, witzelte ich, um meine Freude zu überspielen.
    Als die Parade am späten Nachmittag zu Ende ging, machte ich mich mit Bob auf den Weg zum Soho Square. Dort hatten sie eine Musikbühne aufgebaut und weitere Vorführungen angekündigt. Von dort aus kam man auf die Old Compton Street, in der die bekanntesten Gay-Bars von London lagen. Man kam kaum vorwärts, weil die Straße mit Umzugsteilnehmern überquoll, die alle hier noch etwas trinken wollten. Auf halbem Weg durch das Gewühl wollte ich eine Zigarette rauchen. Weil ich kein Feuer dabeihatte, blieb ich vor einem Pub an einem der Straßentische stehen und fragte nach Feuer. Es wunderte mich ein bisschen, dass mir ausgerechnet einer, der nur mit einem pinkfarbenen Tanga-Slip, einem Paar Engelsflügeln und einem Heiligenschein bekleidet war, sein Feuerzeug hinhielt. Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, wo er es während des Umzugs aufbewahrt hatte.
    »Hier Kumpel, schöne Katze hast du da«, sagte er, als er mir die Zigarette anzündete.
    Wir unterhielten uns noch, als mir jemand auf die Schulter tippte. Als ich mich umdrehte, stand eine Big Issue -Kontrolleurin namens Holly vor mir. So wie sie angezogen war, in kurzer Hose und T-Shirt, war sie wohl nicht im Dienst. Aber da hatte ich mich getäuscht.
    »James, du flanierst«, warf sie mir ohne Umschweife vor.
    »Nein, das tue ich nicht, Holly. Ich brauchte Feuer, frag ihn doch«, wehrte ich mich und zeigte auf meinen Gesprächspartner.
    »Du bist herumgelaufen, James, ich habe es gesehen«, beharrte sie. »Ich werde das melden müssen.«
    Ich war sprachlos über so viel Frechheit.
    »Was? Na, hör mal Holly«, protestierte ich. »Du willst melden, dass ich jemanden wegen Feuer anspreche?« Dabei schnappte ich meine Tasche, in der sich nur noch wenige Magazine befanden, und hielt sie ihr vor die Nase. »Ich habe schon lange Schluss gemacht. Meine restlichen Zeitungen sind hier in meiner Tasche, ich habe sie gar nicht

Weitere Kostenlose Bücher