Bobbie Faye: Alles wird gut (German Edition)
Hause zu fahren – und so dankte sie es ihm.
Sie war sich ziemlich sicher, dass die formale Standardentschuldigung, die ihr damals ihre Englischlehrerin Mrs Russ beigebracht hatte, in diesem Fall nicht ganz ausreichen würde.
Die Lichter gingen aus, und verblüffte Stille trat ein. Dann schaltete sich die schummerige, blinkende Notbeleuchtung ein, der Gott des Chaos schmetterte ein fröhliches »Hallo, Schätzchen, ich bin zu Hause«, und alle um Bobbie Faye herum gaben nun auch offiziell ihren Verstand an der Garderobe ab. Ja, ja, so waren die Leute, die als Kinder nie bei den Feuerübungen in der Schule aufgepasst hatten, weil sie wahrscheinlich gerade beim Hockey waren oder hinter der Tribüne knutschten. Allein innerhalb von Bobbie Fayes Blickfeld kam es zu mindestens vier Straftaten, denn zu Räubern mutierte Glücksspieler nutzten das Chaos, um Chips von den verlassenen Tischen zu schaufeln oder gut betuchte Damen um ihren Schmuck zu erleichtern.
»Wie genau bist du eigentlich hier hereingekommen?«, fragte Trevor, während sie sich durch die verschiedenen Räume voranarbeiteten.
»Stepptanz-Serum.«
Er ließ ihre Umgebung keine Sekunde aus den Augen. »Na klar.« Nicht mal die Sahara konnte so trocken und feindselig sein, wie seine Entgegnung klang.
Er kochte vor Wut.
Heiliger Bimbam, sie verdiente es.
Sie wollte ihn berühren, um sich selbst zu beruhigen, aber sie hielt sich zurück. Sogar triefnass mit einem ruinierten Anzug war er wunderschön. Gut, im Grunde genommen war das derselbe Mann, mit dem sie auch verlobt war. Als sie ihn beim letzten Mal während einer seiner verdeckten Operationen getroffen hatte (ganz am Anfang ihrer Beziehung), da hatte sie nicht so bestürzt reagiert. Auch damals war er verschwunden und schließlich mit falschen Tattoos, langen Haaren und Bikerklamotten wieder aufgetaucht. Das war ja auch okay. Aber dieser … elegante Look? Der machte sie fertig.
Sie bibberte.
Ihr Shirt war ja auch ganz durchweicht. Sie sah kurz nach unten. Und es war beinahe durchsichtig. Oh, Kacke. Das war’s, all ihre hellen T-Shirts wanderten zukünftig in die Verbannung. Etwas Weißes anzuziehen war einfach die Garantie für einen Gratisausflug ins Peinlichland. Durch die arktische Kälte, die im Kasino herrschte (um die Touristen aus der brütenden Hitze und Schwüle von draußen hereinzulocken), gemischt mit den Sprinklern (die endlich aufgehört hatten, zu sprühen), hatte sie eine Gänsehaut von olympischem Ausmaß.
Trevor zog sich sein Jackett aus. Sie bogen durch die Küchentür ab und rannten an den verlassenen Arbeitsplätzen aus Edelstahl vorbei. Er legte ihr die Jacke über die Arme und schob sie gleichzeitig voran. Dann blieben sie alle an dem Überwachungsbildschirm beim Eingang für die Angestellten stehen. Vor ihnen befand sich ein riesiger Monitor, auf den die ständig wechselnden Bilder der draußen installierten Überwachungskameras in einem Raster von zehn mal zehn Bildern übertragen wurden. Tyrone und die anderen Wachleute hielten sich auf den beiden Hauptgangways auf und bemühten sich, den brüllenden Mob sicher an Land zu lotsen. Damit war der Dienstboteneingang frei. Auf einem der Überwachungsbilder konnten sie die Lichter der Hotels erkennen, die am Seeufer standen – ganz nahe beim Kasino.
»Wir werden wie auf dem Präsentierteller sitzen«, maulte Riles.
Bobbie Faye musterte verstohlen Trevors Profil.
Er und Cam besprachen – okay, diskutierten, während beide in stiller Wut vor sich hin kochten und sich ungefähr eine Milliarde verhüllte Drohungen an den Kopf warfen – , dass sich auf den Landungsbrücken momentan einfach zu viele Menschen befanden, die sich dort gegenseitig auf die Füße traten. Sie waren sich aber einig, dass das Risiko zu groß wäre, einen Angreifer in der Menschenmasse nicht zu bemerken, wenn sie über einen der Hauptzugänge das Schiff verließen. Sie mussten das Wagnis eingehen und über den ungeschützten Servicepier fliehen.
Sie rannten zum Ausgang, und Cam und Riles bildeten dabei ein Team und sicherten alle Gänge und Räume auf dem Weg. Wo zur Hölle waren bloß die zwei Kerle aus dem Kasino geblieben? Bobbie Faye kuschelte sich in das Jackett. Trevors Duft hing noch darin.
»Tut mir leid«, entschuldigte sie sich, als Trevor sich zu ihr beugte, um sie um einen Servierwagen herumzuführen, der ihnen den Weg versperrte. »Deine durchgeknallte Freundin hat wieder zugeschlagen.«
Mit nachdenklicher Miene zog er sie an sich.
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