Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
Vom Netzwerk:
zwei Kilo wog. Die anderen drei Patronen hatte ich aus dem Badezimmerfenster geworfen, weil ich mir sagte, wenn eine Patrone nicht reichte, steckte ich sowieso in noch größeren Schwierigkeiten – und im Moment hatte ich für noch größere Schwierigkeiten einfach nichts übrig. Ich wartete eine Minute und reinigte mir mit dem Abzug die Fingernägel, dann packte ich das kleine Metallscheibchen sorgfältig in eine Papierserviette und steckte es in die Tasche.
    Ich stand auf, holte tief Luft und trampelte an la famille vorbei zur Toilette.
    Der Verurteilte erbrach eine herzhafte Henkersmahlzeit.
     
    Latifa hatte ihre Sonnenbrille in die Stirn geschoben, was Bereitschaft, also gar nichts bedeutete. Keine Sonnenbrille: die van der Hoeves blieben im Hotel und spielten Flohhüpfen. Sonnenbrille auf der Nase: sie waren auf dem Weg zum Skizirkus.
    In die Stirn geschoben, bedeutete die Sonnenbrille: sie könnten, du könntest, ich könnte, alles könnte.
    Ich stapfte über den Auslauf der Idiotenhügel zur Seilbahn. Hugo war schon da, trug Orange und Türkis und hatte seine Sonnenbrille ebenfalls in die Stirn geschoben.
    Als erstes sah er mich an.
    Allen Vorträgen zum Trotz, allem Drill, all unserem grimmig zustimmenden Nicken bei Franciscos Trainingstips zum Trotz sah Hugo mir in die Augen. Ich wußte, daß er mich unverwandt anstarren würde, bis sich unsere Augen trafen, also erwiderte ich seinen Blick, damit das vom Tisch war.
    Seine Augen glänzten. Es gibt kein anderes Wort dafür. Sie glänzten voller Spaß und Aufregung und »Los geht’s«, wie Kinderaugen an Weihnachten.
    Er faßte sich mit einer behandschuhten Hand ans Ohr und schob den Kopfhörer vom Walkman zurecht. Ein ganz normaler Skifreak, hätte man bei seinem Anblick naserümpfend gedacht; dem reicht es nicht, durch die herrlichste Landschaft auf Gottes schöner Erde zu gleiten, er muß sie auch noch mit Guns ‘n’ Roses volldröhnen. Mich hätte sein Kopfhörer wahrscheinlich auch genervt, wenn ich nicht gewußt hätte, daß er mit einem Kurzwellenempfänger an seiner Hüfte verbunden war und daß Bernhard am anderen Ende eine Wettervorhersage ganz eigener Art durchgab.
    Wir hatten vereinbart, daß ich kein Funkgerät einstecken sollte. Falls ich erwischt werden sollte – als Francisco das in Erwägung zog, hatte Latifa mir tatsächlich den Arm gedrückt –, sollten wenigstens keine Indizien auf Mittäter hinweisen.
    Also hatte ich nur Hugo und seine glänzenden Augen.
     
    Oben auf dem Schilthorn, in einer Höhe von gut dreitausend Metern, steht das Restaurant Piz Gloria: eine überwältigende Kreation aus Glas und Stahl, wo man sitzen, einen Kaffee im Gegenwert eines mittelprächtigen Sportwagens trinken und an klaren Tagen die Aussicht auf immerhin sechs Kantone genießen kann.
    Wenn Sie gewisse Ähnlichkeit mit mir haben, werden Sie den größten Teil des klaren Tages darüber nachgrübeln, welche sechs Kantone das sein sollen, und wenn Ihnen dann noch Zeit bleibt, dürften Sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit fragen, wie um Himmels willen die Mürrener das Gebäude da hochbekommen haben und wie viele von ihnen bei den Bauarbeiten draufgegangen sind. Wenn man diese Konstruktion sieht und sich vergegenwärtigt, daß ein durchschnittlicher britischer Maurer ewig und drei Tage braucht, um einem den Kostenvoranschlag für einen Küchenausbau zu schicken, dann muß man die Schweizer einfach bewundern.
    Das Restaurant rühmt sich außerdem, einmal den Drehort für einen James-Bond-Film abgegeben zu haben; seinen Filmnamen Piz Gloria hat es behalten, und sein Pächter hat das Recht, 007-Memorabilien an jeden zu verhökern, den die Tasse Kaffee noch nicht in den Bankrott getrieben hat.
    Kurz und gut, jeder Besucher von Murren mußte dieses Restaurant einfach gesehen haben, wenn er die Gelegenheit bekam, und die van der Hoeves hatten beim Boeuf en croûte am Vorabend entschieden, daß sie diese Gelegenheit definitiv hatten.
    An der Bergstation der Seilbahn stiegen Hugo und ich aus und trennten uns. Ich ging nach drinnen, schnappte nach Luft, zeigte mit dem Finger und schüttelte den Kopf darüber, wie geschmackvoll dieser ganze Bergkrempel sei, während Hugo draußen blieb, rauchte und an seinen Bindungen herumhantierte. Er spielte den fanatischen Skiläufer, den es auf schwarze Pisten und in den Pulverschnee trieb, und überhaupt, quatschen Sie mich bloß nicht von der Seite an, denn das Baßsolo bei diesem Stück ist einfach ergreifend. Da genügte

Weitere Kostenlose Bücher