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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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nur ein krankes Taglicht.
    DER KAUFMANN VON VENEDIG
     
    »Wer drückt den Abzug?«
    Solomon mußte auf die Antwort warten.
    Er mußte auf jede Antwort warten, weil ich mit Schlittschuhen auf einer Eislaufbahn unterwegs war und er nicht. Ich brauchte etwa dreißig Sekunden für eine Runde und eine Antwort, also hatte ich reichlich Spielraum, um ihn zu piesacken. Ehrlich gesagt, brauche ich dafür nicht viel Spielraum. Wenn ich nur ein klitzekleines bißchen Spielraum bekomme, nerv’ ich jeden Menschen zu Tode.
    »Meinst du ›Abzug‹ im übertragenen Sinn?«, fragte ich im Vorbeikommen.
    Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, daß Solomon wie ein nachsichtiger Vater lächelte und das Kinn etwas vorgeschoben hatte.
    Dann widmete er sich wieder der Curling-Partie, die er vorgeblich verfolgte.
    Nächste Runde. Die Lautsprecher plärrten beschwingte Schweizer Humpta-Musik.
    »Ich meine den Abzugabzug. Den konkreten …«
    »Ich.« Schon war ich wieder weg.
    Langsam hatte ich beim Eislaufen den Dreh raus. Ich ahmte sogar die kunstvolle Pirouette eines deutschen Mädchens vor mir nach, und das klappte ganz gut. Außerdem schaffte ich es fast, mit ihr Schritt zu halten, und das freute mich. Sie war ungefähr sechs.
    »Die Waffe?« Wieder Solomon, der durch die hohlen Hände sprach, als wollte er sie warmblasen.
    Diesmal mußte er länger auf die Antwort warten, weil ich auf der anderen Seite der Eislaufbahn stürzte und einige Augenblicke lang der festen Überzeugung war, ich hätte mir den Beckenknochen gebrochen. Hatte ich aber nicht. Jammerschade, denn damit wären alle möglichen Probleme aus der Welt gewesen.
    Endlich kam ich wieder bei ihm vorbei.
    »Kommt morgen«, sagte ich.
    Das war im Grunde nicht ganz richtig. Aber unter den besonderen Umständen dieser Einsatzbesprechung hätte ich für die Wahrheit anderthalb Wochen gebraucht.
    Die Waffe kam nicht erst morgen. Teilweise war sie schon da.
     
    Auf mein massives Soufflieren hin hatte sich Francisco für die PM L96A1 entschieden. Kein schöner Name, ich weiß, und einprägsam ist er auch nicht; aber ihre Aufgabe erfüllte die PM, die bei der britischen Armee den Spitznamen »das grüne Ding« weghatte – wahrscheinlich weil sie sowohl grün als auch ein Ding ist –, ganz ausgezeichnet; diese Aufgabe bestand darin, eine 7.62-mm-Patrone mit solcher Präzision abzufeuern, daß ein kompetenter Sonntagsschütze wie ich auf sechshundert Meter unter Garantie traf.
    Da das mit Herstellergarantien immer so eine Sache ist, hatte ich Francisco gesagt, wenn mein Abstand vom Ziel die zweihundert Meter (bei Seitenwind weniger) auch nur einen Zentimeter übersteige, könne er mich als Schützen vergessen.
     
    Er hatte uns ein zerlegbares grünes Ding besorgt; oder, wie das im Katalog hieß, ein »Verstecktes Scharfschützengewehrsystem«. Darunter verstand man eine Lieferung in Einzelteilen, und die meisten Teile waren bereits im Dorf angekommen. Das kompakte Infrarot-Zielfernrohr war als 200-mm-Objektiv vor Bernhards Kamera angereist, die Halterung im Gehäuse verborgen; die Kammer versah als Griff von Hugos Rasierapparat ihren Dienst, und Latifa hatte jeweils zwei Patronen Remington-Magnum-Munition in den Absätzen ihrer völlig überteuerten Lackschuhe untergebracht.
    Jetzt fehlte nur noch der Lauf, und der kam auf dem Dachgepäckträger von Franciscos Alfa Romeo nach Wengen – neben allerlei anderen länglichen Metallgegenständen, die man für den Wintersport braucht.
    Den Abzug hatte ich in der Hosentasche mitgebracht. Vielleicht ist Kreativität einfach nicht mein Bier.
    Auf Schulterstütze und Vorderschaft hatten wir verzichtet, denn beide sind schwer zu verstecken und, bei aller Liebe, entbehrlich. Genauso wie das Dreibein. Eine Schußwaffe besteht im Grunde nur aus einem Rohr, einem Stück Blei und etwas Schießpulver. Kohlenstoffasern und Rallyestreifen in rauhen Mengen machen die getroffene Person auch nicht töter. Die einzige unverzichtbare Zutat, um eine Waffe so richtig tödlich zu machen (und diese Zutat ist Gott sei Dank im irdischen Jammertal immer noch schwer zu kriegen), ist jemand mit dem festen Vorsatz, zu zielen und abzudrücken.
    Jemand wie ich.
     
    Solomon hatte mir nichts von Sarah erzählt. Gar nichts. Wie es ihr gehe, wo sie sei – sogar mit der Auskunft, was sie zuletzt angehabt habe, wäre mir gedient gewesen, aber er hatte sie mit keinem Wort erwähnt.
    Vielleicht hatte er von den Amerikanern die Anweisung, nichts zu sagen. Weder

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