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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Hugh
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mir die Rolle des gaffenden Idioten.
    Ich schrieb ein paar Postkarten – aus irgendeinem Grund alle an einen Mann namens Colin –, gelegentlich warf ich einen Blick auf Österreich, Italien oder Frankreich oder sonst ein Fleckchen Erde mit Schnee drauf, bis die Kellner langsam sauer wurden. Ich fragte mich gerade, ob der Etat des Schwerts der Gerechtigkeit eine zweite Tasse Kaffee verkraften könnte, als ich aus dem Augenwinkel bunte Bewegungen sah. Ich blickte hoch und erkannte Hugo, der mir draußen vom Portal aus zuwinkte.
    Alle Anwesenden im Restaurant bemerkten ihn. Wahrscheinlich bemerkten ihn Tausende von Menschen in Österreich, Italien und Frankreich. Es war ein schlechthin jämmerlicher Dilettantismus, und wäre Francisco dabeigewesen, hätte er Hugo kräftig eine gelangt, was während der Ausbildung ziemlich oft sein mußte. Aber Francisco war nicht dabei, Hugo machte sich zum kreischbunten Affen, und ich hätte mich ausschütten können vor Lachen. Mich versöhnte einzig und allein, daß keiner der vielen neugierigen Zuschauer genau hätte sagen können, wem oder was er zuwinkte.
    Seine Augen verbargen sich nämlich hinter einer Sonnenbrille.
     
    Das erste Pistenstück nahm ich aus zwei Gründen sehr gemächlich: erstens wollte ich, wenn die Zeit für den Schuß kam, nicht aus der Puste sein; zweitens (und wichtiger) war ich nicht gerade wild darauf, mir ein Bein zu brechen und auf einer Trage den Berg hinabtransportiert zu werden, während ich diverse Gewehrteile an mir versteckt hatte.
    Also stemmte ich aus und lief Schneepflugbögen, machte die Schwünge möglichst weit und langsam und überquerte sanft den schwärzesten Teil der Piste, bis ich die Baumgrenze erreicht hatte. Der Schwierigkeitsgrad der Abfahrt machte mir Sorgen. Jeder Narr mußte doch merken, daß Dirk und Rhona schlicht und ergreifend zu schlecht waren, um sie ohne zahlreiche Stürze, vielleicht sogar der fataleren Art, zu meistern. Wäre ich Dirk oder Dirks Freund oder auch nur ein mitfühlender Skikollege gewesen, hätte ich ihm geraten, vergiß es. Fahr mit der Seilbahn wieder runter, und such dir was Leichteres.
    Aber Francisco war todsicher, was Dirk anging. Er meinte, er kenne seinen Mann. In seiner Analyse war Dirk ein sparsamer Mensch – eine Eigenschaft, die für einen Finanzminister ja wohl auch das mindeste ist –, und falls Dirk und Rhona kneifen sollten, mußten sie eine saftige Strafe in Kauf nehmen, wenn sie mit der Kabine ins Tal zurückfuhren.
    Francisco war bereit, mein Leben darauf zu verwetten, daß Dirk es wagen würde.
    Um auf Nummer Sicher zu gehen, hatte er am Vorabend jedoch Latifa in die Bar vom Edelweiß geschickt, wo Dirk seine Kehle mit etlichen Brandys durchspülte, und sie über die Tapferkeit jedes Mannes, der sich dem Schilthorn stellte, schnäbeln und gurren lassen. Dirk hatte zunächst besorgt dreingeschaut, aber zu guter Letzt hatten ihn Latifas Wimperngeklimper und ihr wogender Busen umgestimmt, und er hatte versprochen, sie am nächsten Abend zu einem Drink einzuladen, falls er wohlbehalten unten ankommen sollte.
    Hinter ihrem Rücken drückte Latifa unserer Aktion die Daumen und versprach, sie werde Punkt neun Uhr auf der Matte stehen.
     
    Hugo hatte die Stelle markiert und wartete schon auf mich, rauchte, grinste und amüsierte sich einfach köstlich. Ich lief an ihm vorbei und kam zehn Meter weiter unten in einer Baumgruppe zum Stehen, einfach um Hugo und mir zu beweisen, daß ich noch nicht vergessen hatte, wie man Entscheidungen trifft. Ich drehte mich um, sah am Berg hoch, prüfte die Stellung, die Winkel, die Deckung – dann riß ich den Kopf zu Hugo herum.
    Er schnippte seine Zigarette in den Schnee, zuckte die Achseln und machte sich an die Abfahrt, nutzte einen winzigen Huckel für einen überflüssig extravaganten Sprung und ließ eine Puderwolke aufstieben, indem er hundert Meter weiter unten auf der gegenüberliegenden Pistenseite einen perfekten Parallelschwung hinlegte und hielt.
    Er drehte sich von mir weg, öffnete den Reißverschluß seiner Skimontur und fing an gegen einen Felsen zu pinkeln.
    Ich wollte auch pinkeln. Aber ich hatte Angst, wenn ich einmal anfinge, würde ich nie mehr aufhören; ich würde einfach immer weiterpissen, bis nur noch ein Kleiderhaufen von mir übrig war.
    Ich schraubte das Objektiv von der Kamera, nahm die Kappe ab, richtete es auf den Berg und plinkerte durchs Okular. Die Linse war beschlagen und das Bild verschwommen, also öffnete ich meine

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